29.01.2015

Michelson-Morley-Experiment mit Elektronen

Bisher präzisester Test der lokalen Lorentz-Invarianz.

Die räumliche Orientierung und der Bewegungszustand eines Experiments sollten keinerlei Einfluss auf sein Ergebnis haben. Diese lokale Lorentz-Invarianz ist nun für Elektronen mit unerreicht hoher Genauigkeit getestet worden. Hartmut Häffner von der UC Berkeley und seine Kollegen haben das berühmte Michelson-Morley-Experiment in abgewandelter Form wiederholt: Statt Lichtwellen haben sie elektronische Materiewellen interferieren lassen. Die Erdrotation sorgte dafür, dass sich die räumliche Ausrichtung des „Interferometers“ während des Experiments änderte. Das Interferenzsignal haben sie dann auf eine mögliche Zeitabhängigkeit hin untersucht.

Abb.: Zwei Kalziumionen in einer Paul-Falle drehen sich mit der Erde. Hängt die Energiedifferenz der beiden überlagerten Anregungszustände der Ionen von ihrer räumlichen Orientierung ab, so folgt daraus eine Verletzung der Lorentz-Invarianz durch die Elektronen. (Bild: T. Pruttivarasin et al.)

Beim optischen Michelson-Morley-Experiment in seiner ursprünglichen Form wird eine Lichtwelle in zwei Teilwellen zerlegt, die die beiden Arme eines Interferometers durchlaufen und anschließend wieder zusammengebracht werden, so dass sie interferieren. Hinge die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Lichtwellen von ihrer Ausbreitungsrichtung ab, so würde sich das Interferenzsignal langsam aufgrund der Erdrotation ändern.

Bei neueren optischen Michelson-Morley-Experimenten wurden die Resonanzfrequenzen zweier senkrecht zueinander orientierter optischer Resonatoren etwa ein Jahr lang miteinander verglichen. Die Daten ergaben, dass die relative Änderung der Vakuumlichtgeschwindigkeit bei Änderung der räumlichen Orientierung höchsten 10-17 betrug.

Optische Michelson-Morley-Experimente testen die Lorentz-Invarianz der Lichtgeschwindigkeit, wobei sie annehmen, dass die Länge der Interferometerarme oder der Resonatoren nicht von deren Orientierung abhängt. Sie setzten also voraus, dass die Längen der chemischen Bindungen richtungsunabhängig sind. Das gilt jedoch nur in dem Maße, wie die Ausbreitung der elektronischen Materiewellen die Lorentz-Invarianz erfüllt.

Hier kommt das Experiment von Häffner und seinen Kollegen ins Spiel. Wenn die Elektronen die lokale Lorentz-Invarianz verletzen würden, hinge ihre Energie von der Ausbreitungsrichtung und somit von der Richtung ihres Impulses ab. Dies haben die Forscher überprüft, indem sie die Energiedifferenz zweier Anregungszustände eines Paares von Kalzium-40-Ionen für unterschiedliche räumliche Orientierungen gemessen haben.

Dazu führten sie ein Ramsey-Interferenzexperiment durch. Sie brachten die beiden in einer Paul-Falle festgehaltenen Ionen in einen verschränkten Zustand, der gegen Dekohärenz geschützt war. Die relative Phase war zeitabhängig und änderte sich umso schneller, je größer die Energiedifferenz ΔE der beiden Zustände war.

Die Oszillationen des Zweiionenzustands bildeten das Interferenzsignal, aus dem die Forscher im Minutentakt die Energiedifferenz ermittelten. Die Größe der gemessenen Energiedifferenzen verfolgten sie über 23 Stunden hinweg, sodass die beiden Ionen während der Dauer der Messungen nahezu eine volle Drehung ausführten.

Die gemessenen Energiedifferenzen wurden hauptsächlich durch magnetische und elektrische Felder aufgrund des Zeeman- bzw. Stark-Effekts verursacht. Indem die Forscher die Anregungsenergien der einzelnen Ionen bestimmten, konnten sie die Beiträge der beiden Effekte sehr genau ermitteln. Nachdem sie diese Beiträge abgezogen hatten, erhielten sie Energiedifferenzen, die nur noch von der Verletzung der Lorentz-Invarianz herrühren konnten.

Die so ermittelten Energiedifferenzen waren allerdings recht klein und entsprachen Frequenzen von weniger als 1 Hertz, wobei sie um 0 Hertz schwankten. Wurden diese im Minutentakt vorliegenden Frequenzen über Zeitintervalle von zunehmender Länge gemittelt, so nahm ihre Schwankungsbreite immer mehr ab. Bei Mittelung über 500 Stunden lag sie unter 0,02 Hertz. Daraus berechnen Häffner und seine Mitarbeiter, dass die Verletzung der Lorentz-Invarianz durch die Elektronen höchsten 10-18 beträgt.

Eine elektronische Verletzung der Lorentz-Invarianz in dieser Größe erwartet man im Rahmen eines erweiterten Standardmodells der Teilchenphysik, wenn man das Zahlenverhältnis aus der elektroschwachen und der Planck-Energieskala bildet. Supersymmetrie könnte die Verletzung auf der Planck-Skala jedoch unterdrücken, sodass ihre Verletzung durch Elektronen entsprechend geringer ausfiele und schwerer nachzuweisen wäre. Doch es gibt Hoffnung. Durch verbesserte Messungen, etwa indem man Barium-Ionen mit wesentlich langlebigeren angeregten Zuständen benutzt, könnte man die Lorentz-Invarianz mit einer Genauigkeit von weniger als 10-20 testen.

Rainer Scharf

DE

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