Mikroben auf der Spur
Neues System zur Raman-Spektroskopie soll Standardwerkzeug für Mikrobiologie werden.
Es kann sehr wertvoll sein zu erfahren, was passiert, wenn Mikroorganismen untereinander oder mit höher entwickelten Lebewesen interagieren. Bakterien beispielsweise produzieren häufig Substanzen, die möglicherweise die Grundlage für neue Arzneiwirkstoffe oder Antibiotika liefern. Um solche Prozesse beobachten zu können, nutzen Forscher moderne Bildgebungsverfahren – wie die Raman-Spektroskopie. Diese Untersuchungsmethode erforschen die Wissenschaftler seit Jahren an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, entwickeln sie weiter für verschiedene Disziplinen und integrieren sie in kommerzielle Anwendungen. Im Rahmen des Projektes „Untersuchung mikrobieller Interaktionen mithilfe von Raman-Spektroskopie“ – kurz: „Microverse-Raman“ – wollen sie nun ein Raman-Mikroskop für die Mikrobiologie zur Verfügung stellen, durch das diese diese Methode flexibel einsetzbar wird, um eine breite Palette an möglichen biologischen Proben und Biomolekülen zu untersuchen. Das Land Thüringen unterstützt dieses Vorhaben mit 400.000 Euro.
Während der Raman-Spektroskopie wird Laserlicht an den Molekülen der Probe inelastisch gestreut, wodurch diese mit größerer Amplitude schwingen. Die entstehenden Schwingungsmuster werden ausgelesen und liefern molekulare Informationen zur chemischen und biochemischen Zusammensetzung der Probe. „Die Untersuchungsmethode eignet sich für die Mikrobiologie besonders gut, da keine große Probenvorbereitung notwendig ist und die Mikroben praktisch in vivo beobachtet werden können“, erklärt Jürgen Popp von der Universität Jena, der das Projekt leitet. „Setzen die Bakterien beispielsweise während der Interaktion mit einem Organismus, etwa einem Pilz, eine Substanz frei, so lässt sich genau überprüfen, welche Stämme – also von den Biologen charakterisierte Genotypen – für die Produktion verantwortlich sind und in welcher zeitlichen Abfolge das Ganze passiert“, ergänzt seine Kollegin Anja Silge.
Popp und sein Team haben bereits einige Projekte mit solchen Fragestellungen durch individuelle Lösungen unterstützt – vor allem im Rahmen des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ sowie der Sonderforschungsbereiche ChemBioSyS und AquaDiva der Universität Jena, das sich der Erforschung mikrobieller Interaktionen widmet. „Mit dem neuen System wollen wir den Kollegen aus der Mikrobiologie nun diese leistungsstarke Technologie noch zugänglicher machen, ihre Nutzung noch stärker strukturieren, standardisieren und somit etablieren“, sagt der Jenaer Chemiker und wissenschaftliche Direktor des dortigen Leibniz-Instituts für Photonische Technologien. Sie werde ein wesentlicher Baustein im „Imaging Center“ des Exzellenzclusters sein, das verschiedene moderne Bildgebungsverfahren bereithält.
Das neue Gerät wird beispielsweise eine Inkubationskammer besitzen, die optimale Voraussetzungen für die aus lebenden Zellen bestehenden Proben schafft, sowie mit flexibel einstellbaren Lichtquellen versehen sein, bei denen sich die Wellenlängen variieren lassen. Das ist notwendig, da sich so ganz unterschiedliche Ebenen in den Blick nehmen lassen. „Wenn man etwa eine Blutzelle untersucht, erhält man mit einer Wellenlänge sämtliche Informationen zu den vorhandenen Molekülen. Wechselt man dann auf blaues Licht, so kann man selektiv Moleküle mit spezifischen Eigenschaften beobachten“, erklärt Jürgen Popp.
Darüber hinaus beraten die Projektmitarbeiter bei der Anwendung der Raman-Spektroskopie, geben Hilfestellung beim Versuchsaufbau und bei der Auswertung gewonnener Daten. Die neue Forschungsinfrastruktur untermauert somit einmal mehr den Status Jenas als wichtiges Zentrum für diese Untersuchungsmethode. Denn sie hilft nicht nur Fragestellungen aus der Mikrobiologie zu beantworten, sondern liefert auch regelmäßig wertvolle Informationen für Projekte aus der Chemie, der Physik oder den Materialwissenschaften. „Wir sind vermutlich die weltweit größte Forschungseinheit, die so vielseitig Raman-Spektroskopie einsetzt“, fasst Jürgen Popp zusammen. „Aus dieser Position heraus arbeiten wir zudem intensiv daran, verstärkt medizinische Anwendungen für die Methode zu entwickeln, etwa für die Erkennung von Antibiotika-Resistenzen.“
FSU / DE