07.06.2023

Mikroskopie mit extremer Auflösung

Neuer Ansatz in der Superauflösungsmikroskopie reicht bis zur Angströmskala.

Der Forschungsgruppe um Ralf Jungmann an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) ist ein Durchbruch in der Fluoreszenz­mikroskopie gelungen. Das Team entwickelte eine Methode namens „Resolution Enhancement by Sequential Imaging“ (RESI), eine revolutionäre Technik, die die Auflösung der Fluoreszenz­mikroskopie bis auf die Angströmskala verbessert. Diese Innovation wird einen Paradigmen­wechsel bei der Untersuchung biologischer Systeme mit bisher unerreichter Detail­genauigkeit einleiten.

 

Abb.: Die Abbildungs­methode RESI ermöglicht extrem hohe räumliche...
Abb.: Die Abbildungs­methode RESI ermöglicht extrem hohe räumliche Auflösungen. (Bild: S. C. M. Reinhardt et al. / Springer Nature)

Zellen, die grundlegenden Einheiten des Lebens, enthalten eine Vielzahl komplexer Strukturen, Prozesse und Mechanismen, die lebende Systeme aufrechterhalten und fortbestehen lassen. Viele zelluläre Kernelemente wie DNA, RNA, Proteine und Lipide sind nur wenige Nanometer groß – erheblich kleiner als die Auflösungs­grenze der herkömmlichen Licht­mikroskopie. Die genaue Zusammensetzung und Anordnung dieser Moleküle und Strukturen ist daher oft unbekannt, was zu einem mangelnden mechanistischen Verständnis grundlegender Aspekte der Biologie führt.

In den letzten Jahren haben Superauflösungstechniken enorme Fortschritte gemacht und erlauben es, subzelluläre Strukturen unterhalb der klassischen Beugungs­grenze des Lichts aufzulösen. Die Einzel­molekül­lokalisierungs­mikroskopie (Single-Molecule Localization Microscopy, SMLM) ist ein Verfahren, mit dem Strukturen in der Größenordnung von zehn Nanometern aufgelöst werden können, indem ihre individuellen Fluoreszenz­emissionen zeitlich getrennt werden. Da einzelne Zielmoleküle in einem sonst dunklen Sichtfeld stochastisch aufleuchten (blinken), können ihre Positionen mit einer Genauigkeit unterhalb der Beugungs­grenze bestimmt werden. DNA-PAINT, erfunden von der Jungmann-Gruppe, ist eine SMLM-Technik, die temporäres Hybridisieren von Farbstoff-markierten DNA-„Imager“-Strängen nutzt, um das notwendige Blinken für Superauflösung zu erreichen. Bislang war jedoch selbst DNA-PAINT nicht in der Lage, die kleinsten zellulären Strukturen aufzulösen.

In der aktuellen Studie, die von den Erstautoren Susanne Reinhardt, Luciano Masullo, Isabelle Baudrexel und Philipp Steen zusammen mit Jungmann geleitet wurde, stellt das Team einen neuen Ansatz in der Super­auflösungs­mikroskopie vor, der eine grundsätzlich „unbegrenzte“ räumliche Auflösung ermöglicht. Die neue Technik mit der Bezeichnung „Resolution Enhancement by Sequential Imaging“ (RESI) nutzt die Fähigkeit von DNA-PAINT, die Identität von Zielobjekten durch eindeutige DNA-Sequenzen zu kodieren. Nahe aneinanderlegende Moleküle, die mit klassischer SMLM nicht aufgelöst werden können, werden durch unterschiedliche DNA-Sequenzen markiert. Dadurch entsteht ein zusätzliches Unterscheidungs­merkmal.

Durch sequenzielle Bildgebung erst einer und dann der anderen Sequenz (und damit der jeweiligen Moleküle) können sie nun eindeutig getrennt und aufgelöst werden. Da sie nacheinander abgebildet werden, können die Ziele beliebig nahe beieinander liegen, was mit keiner anderen Technik möglich ist. Darüber hinaus erfordert RESI keine spezialisierten Mikroskope, es kann mit jedem Standard-Fluoreszenzmikroskop angewendet werden, was es für fast alle Forscher leicht zugänglich macht.

Um die Auflösungsverbesserung von RESI zu demonstrieren, stellte sich das Team der Herausforderung, einen der kleinsten räumlichen Abstände in einem biologischen System aufzulösen: den Abstand zwischen einzelnen Basen entlang einer DNA-Doppelhelix, die weniger als einen Nanometer voneinander entfernt sind. In einer DNA-Origami-Nanostruktur, die einzelsträngige DNA-Sequenzen in einem Abstand von nur einem Basenpaar enthielt, konnte das Forscherteam einen Abstand von 0,85 Nanometer zwischen benachbarten Basen auflösen. Den Forschern gelang diese Messung mit einer Präzision von einem Angström, was die beispiellosen Möglichkeiten des RESI-Verfahrens unterstreicht.

Wichtig ist, dass die Technik universell und nicht nur auf Anwendungen in DNA-Nanostrukturen beschränkt ist. Um das zu zeigen, untersuchte das Team den molekularen Wirkmechanismus von Rituximab, einem Anti-CD20 monoklonalen Antikörper, der erstmals 1997 zur Behandlung von CD20-positivem Blutkrebs zugelassen wurde. Die Untersuchung der Auswirkungen solcher Medikamenten­moleküle auf molekulare Rezeptormuster übersteigt jedoch die räumliche Auflösung herkömmlicher Mikroskopier­techniken. Zu verstehen, ob und wie sich solche Muster im Krankheitsfall sowie bei einer Behandlung verändern, ist nicht nur für die mechanistische Grundlagen­forschung, sondern auch für die Entwicklung neuer zielgerichteter Krankheits­therapien von großer Bedeutung.

Mit RESI konnten Jungmann und sein Team die natürliche Anordnung von CD20-Rezeptoren in unbehandelten Zellen als Dimere offenlegen und aufdecken, wie sich CD20 bei Medikamenten­behandlung zu Ketten von Dimeren umorganisierte. Die Erkenntnisse auf der Einzelproteinebene helfen nun, die molekulare Wirkweise von Rituximab besser zu verstehen. Da RESI in ganzen, intakten Zellen durchgeführt wird, schließt die Technik die Lücke zwischen rein strukturellen Methoden wie Röntgen­kristallo­graphie oder kryogener Elektrone­nmikroskopie und herkömmlichen bildgebenden Verfahren mit geringerer Auflösung für ganze Zellen.

LMU / DE
 

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