22.03.2021

Mikroskopisch kleine Wurmlöcher

Theorie für ein hypothetisches Tunneln in der Raumzeit.

In vielen Science-Fiction-Filmen spielen Wurmlöcher eine wichtige Rolle – als Abkürzung zwischen zwei weit entfernten Orten des Weltalls. In der Physik sind diese Tunnel in der Raumzeit bislang allerdings rein hypo­thetische Gebilde. Ein inter­nationales Team um Jose Luis Blázquez-Salcedo von der Universität Oldenburg stellt nun ein neues theo­retisches Modell vor, das mikro­skopisch kleine Wurmlöcher weniger exotisch erscheinen lässt als bisherige Theorien.

Abb.: Illustration eines Wurmlochs mit gekrümmter Raumzeit. (Bild: S. Grunau,...
Abb.: Illustration eines Wurmlochs mit gekrümmter Raumzeit. (Bild: S. Grunau, U. Oldenburg)

Wurmlöcher tauchen ähnlich wie schwarze Löcher in den Gleichungen der All­gemeinen Relativitäts­theorie auf, die Albert Einstein 1916 aufstellte. Eine wichtige Annahme der Theorie ist, dass das Universum vier Dimensionen hat – drei Raum­dimensionen und die Zeit als vierte Dimension. Zusammen bilden sie die Raumzeit. Sie wird durch schwere Objekte wie Sterne gekrümmt. Die Krümmung der Raumzeit bestimmt, wie sich Objekte wie Raumschiffe und Planeten, aber auch Licht bewegen. „Theoretisch könnte die Raumzeit auch ohne schwere Objekte verbogen und gekrümmt werden“, erläutert Blázquez-Salcedo, der inzwischen an die spanische Universidad Complutense de Madrid gewechselt ist. Ein Wurmloch wäre demnach ein extrem stark gekrümmter Bereich der Raumzeit, der zwei miteinander verbundenen Trichtern ähnelt und zwei weit entfernte Orte wie ein Tunnel verbindet. „Mathe­matisch gesehen ist so eine Abkürzung möglich, jedoch hat noch nie jemand ein echtes Wurmloch beobachtet“, so der Forscher.

Ein solches Wurmloch wäre außerdem instabil: Würde beispiels­weise ein Raumschiff hineinfliegen, so würde es sofort zu einem schwarzen Loch kollabieren. Die Verbindung zu anderen Orten des Universums wäre gekappt. Um das Wurmloch offen zu halten, benötigen bisherige Modelle eine exotische, nur theoretisch denkbare Form der Materie, die eine negative Masse hat, also weniger wiegt als nichts. Blázquez-Salcedo und seine Kollegen Christian Knoll von der Universität Oldenburg und Eugen Radu von der Univer­sidade de Aveiro in Portugal zeigen nun jedoch, dass Wurmlöcher auch ohne diese Annahme passierbar sein können. Die Forscher wählten dafür einen vergleichsweise einfachen, semi­klassischen Ansatz: Sie verbanden Elemente der Relativitäts­theorie mit Elementen der Quantentheorie und der klassischen Theorie der Elektro­dynamik. Als Materie, die das Wurmloch durchqueren soll, betrachteten sie bestimmte Elementar­teilchen wie beispielsweise Elektronen mitsamt ihrer elektrischen Ladung. Als mathe­matische Beschreibung wählten sie die Dirac-Gleichung, eine Formel, die die Aufenthalts­wahrscheinlichkeit eines Teilchens gemäß der Quantentheorie und der Relativitäts­theorie als Dirac-Feld beschreibt.

Wie die Physiker berichten, ist es die Berück­sichtigung des Dirac-Felds, das in ihrem Modell die Existenz eines für Materie durch­querbaren Wurmlochs erlaubt. Die Voraus­setzung ist, dass das Verhältnis zwischen der elektrischen Ladung und der Masse des Wurmlochs einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Neben Materie könnten auch Signale – etwa elektro­magnetische Wellen – die winzigen Tunnel in der Raumzeit durchqueren. Für interstellare Reisen wären die mikroskopisch kleinen Wurmlöcher, die sich das Team vorstellt, wohl nicht geeignet. Zudem müsste das Modell noch weiter verfeinert werden, um heraus­zufinden, ob es die eigenartigen Gebilde tatsächlich geben könnte. „Wir vermuten, dass die Wurmlöcher auch in einem voll­ständigen Modell existieren können“, sagt Blázquez-Salcedo.

U. Oldenburg / JOL

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