30.04.2009

Milchstraße: Quelle der diffusen Röntgenstrahlung entlarvt

Die diffuse Röntgenstrahlung der Milchstraße stammt nicht von dünn verteiltem, heißen Gas, sondern von einer Vielzahl einzelner Quellen



Die diffuse Röntgenstrahlung der Milchstraße stammt nicht von dünn verteiltem, heißen Gas, sondern von einer Vielzahl einzelner Quellen. Das zeigen hochauflösende Beobachtungen mit dem Röntgensatelliten Chandra, die ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe von "Nature" präsentieren. Die Astronomen vermuten, dass es sich bei diesen Quellen hauptsächlich um Weiße Zwerge und Sterne mit aktiver Korona handelt.



Abb.: Die Röntgenstrahlenemission der Milchstraße. Die Aufnahme entstand mit Hilfe des Röntgensatelliten RXTE. Der vergrößerte Ausschnitt zeigt die etwa 2,6 Bogenminuten große Region, die mit dem Chandra-Teleskop beobachtet wurde (Bild: Mikhail Revnivtsev)


Vor einem Vierteljahrhundert stießen die Wissenschaftler auf eine diffuse Röntgenstrahlung aus der Ebene der Milchstraße. Das Spektrum dieser "Galactic Ridge X-ray Emission" (GRXE) schien zunächst für ein dünn verteiltes, optisch dünnes Plasma mit einer Temperatur von 100 Millionen Kelvin in der galaktischen Ebene zu sprechen.

Doch bei dieser hohen Temperatur müsste ein solches Plasma sofort als galaktischer Wind aus der Milchstraßenebene heraus strömen. Es gibt aber in der Milchstraße keine Energiequellen, die ständig heißes Plasma nachliefern könnten, um diesen Verlust wieder auszugleichen. Einige Astrophysiker haben deshalb versucht, die Röntgenemission durch Zusammenstöße hochenergetische Teilchen der kosmischen Strahlung mit Atomen des interstellaren Mediums zu erklären.

Messungen der Röntgensatelliten RXTE und Integral haben jedoch in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt, dass die Intensität der GRXE die gleiche Verteilung aufweist wie die Sterne. Der Verdacht lag also nahe, dass ein großer Teil der Röntgenstrahlung nicht von einem verteilten Medium, sondern von Sternen stammt.

Um diese Hypothese zu überprüfen, haben Mikhail Revivntsev vom "Exzellenzcluster Universe" an der TU München und seine Kollegen mit dem Röntgensatelliten Chandra ein Testfeld in der Nähe des Milchstraßenzentrums genau unter die Lupe genommen. "Das Areal ist etwa halb so groß wie der Mond und eignet sich sehr gut für unsere Messungen", erklärt Revnivtsev. „Zum einen haben wir hier eine hohe GRXE-Intensität, Effekte extragalaktischer Röntgenemissionen lassen sich so minimieren. Zum anderen absorbiert das interstellare Medium an dieser Stelle nur geringe Strahlungsmengen, sodass man mit Chandra sogar schwache Einzelquellen nachweisen kann.“

Insgesamt eine Million Sekunden lang - 11,6 Tage - sammelten die Chandra-Detektoren die Röntgenstrahlung aus der Testregion. Die Beobachtungen mit der höchsten Auflösung zeigten schließlich 473 Punktquellen in dem Testfeld. Mithilfe von Infrarot-Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Spitzer konnten die Astronomen außerdem die Sterndichte in der Region bestimmen. Das Verhältnis der Röntgen-Intensität zur Sterndichte stimmt exakt mit dem Wert für die gesamte Milchstraße überein. "Damit können wir die Untersuchungen unseres kleinen Ausschnitts als repräsentativ für die gesamte Galaxis werten", so Revnivtsev.

Bei den meisten der 473 Röntgenquellen handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Materie akkreditierende Weiße Zwerge und Sterne mit einer hohen Aktivität in ihrer Korona. Nach 25 Jahren scheint also das Rätsel der diffusen galaktischen Röntgenstrahlung endlich gelöst zu sein. Das hat auch Konsequenzen für die Beobachtung anderer Galaxien, sagt Revnivtsev: "Die Astronomen können nun davon ausgehen, dass eine ungerichtete Röntgenstrahlung dieser Objekte von Weißen Zwergen und aktiven Sternen stammt."

Rainer Kayser


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