11.06.2015

Mit 2D-Atomgas zum Raum­tempe­ratur­supra­leiter

Übergang in die superfluide Phase – Charakterisieren einer exotische Quanten-Superflüssigkeit.

Mit einer exotischen Quanten-Superflüssigkeit, die in einem zweidimensionalen Atomgas entsteht, sind Wissenschaftler der Universität Heidelberg dem Phänomen der Supraleitung auf der Spur. Das Team von Selim Jochim vom Physika­lischen Institut nutzt dieses spezielle Gas als Modellsystem, mit dem auf einfache Weise der bisher weitgehend unbekannte Übergangs­mechanismus in die superfluide Phase innerhalb von 2D-Strukturen untersucht werden kann. Davon erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse auf dem langen Weg zum Raumtemperatur­supraleiter.

Abb.: Atomares Gas in einer magneto-optischen Falle – die leuchtende rote Wolke, die in der Mitte der Vakuumkammer schwebt, besteht aus rund einer Milliarde Lithium-Atomen. Diese haben eine Temperatur von zirka 500 µK. Laser­strahlen fangen die Atome ein und kühlen sie ab. (Bild: M. Ries, RKU)

Zwei der beeindruckendsten Phänomene, bei denen quantenmechanisches Verhalten in der „normalen“ Welt sichtbar wird, sind die Super­fluidität und die daraus entstehende Supra­leitung. Gut verstanden ist das Verhalten der konventio­nellen Supraleiter, bei dem sich die Elektronen dreidimensional bewegen. Ihr Nachteil liegt jedoch darin, dass die Supraleitung hier nur bei sehr kalten Temperaturen weit unter minus 200 Grad Celsius vorliegt. Eine technologische Nutzung ist aufgrund der aufwendigen Kühlung schwierig, so der Martin Ries. „Seit einigen Jahren ist es nun möglich, Hochtemperatur­supraleiter herzustellen. Hier liegt die kritische Temperatur deutlich höher, leider aber immer noch bei knapp unter minus 130 Grad Celsius. Hinzu kommt, dass ihre Funktions­weise nach wie vor nur in Ansätzen bekannt ist. Damit wird es schwierig, bessere Supraleiter dieser Art zu entwickeln“, sagt der Wissen­schaftler, der in Jochims Team forscht.

Wie Ries erläutert, geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass sich Elektronen in Hochtemperatur­supraleitern effektiv nur zweidimen­sional bewegen können. Daher haben sich die Heidelberger Physiker in ihrer Forschung zu Super­fluidität und Supra­leitung auf 2D-Strukturen konzentriert. Hier ist der Phasen­übergang in die superfluide Phase im Vergleich zu drei Dimensionen stark verändert, wobei der Übergangs­mechanismus bisher wenig verstanden und theoretisch nur schwer zu fassen ist. Zwar existiert seit den 1970er-Jahren eine Beschreibung im Rahmen der BKT-Theorie. Allerdings funktioniert diese nur im Fall von schwachen Kräften zwischen den Elektronen. „Aber was genau bei stärkeren Kräften passiert, war bislang unbekannt, obwohl gerade dieses Szenario von besonderer Bedeutung ist“, sagt Ries.

Abb.: Im Hintergrund ist die Vakuumkammer zu erkennen, in der die Wissenschaftler die Quanten-Superflüssigkeit präpariert haben. Im Vordergrund sind Spiegel und Linsen der Laserfalle angeordnet. In dieser Apparatur können die Physiker alle 15 Sekunden ein zweidimen­sionales ultrakaltes Gas erzeugen und seine Eigen­schaften messen. (Bild: M. Ries, RKU)

Den Physikern um Jochim ist es nun gelungen, ein einfaches Modellsystem zu bauen, um damit gleichsam eine Quantensimulation für den Übergang in die superfluide Phase in zweidimensionalen Strukturen durchzuführen. Die Grundlage dafür bildet ein zweidimen­sionales ultrakaltes Atomgas, das in einer Laserfalle gefangen wird. „So erzeugen wir ein ,sauberes‘, leichter zu verstehendes System, bei dem aber das quanten­mechanische Verhalten der Teilchen dem der Elektronen in zweidimen­sionalen Strukturen gleicht“, unter­streicht Ries. Tatsächlich konnten die Forscher damit den Übergang in eine super­fluide Phase bei niedrigen Tempera­turen beobachten und die kritische Temperatur messen, und zwar für beliebige Kräfte zwischen den Teilchen. „Auf diese Weise können wir nun künftig unter­schiedliche Theorien für die 2D-Superfluidität relativ einfach überprüfen“, erläutert Jochim, dessen Team aktuell die Korrela­tionen in der super­fluiden Phase untersucht. „Langfristig erhoffen wir uns davon ein besseres Verständnis der Hochtemperatur­supraleitung, was dann auf lange Sicht zur Entwicklung eines Raum­temperatur­supraleiters führen könnte.“

RKU / OD

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