Mit 2D-Atomgas zum Raumtemperatursupraleiter
Übergang in die superfluide Phase – Charakterisieren einer exotische Quanten-Superflüssigkeit.
Mit einer exotischen Quanten-Superflüssigkeit, die in einem zweidimensionalen Atomgas entsteht, sind Wissenschaftler der Universität Heidelberg dem Phänomen der Supraleitung auf der Spur. Das Team von Selim Jochim vom Physikalischen Institut nutzt dieses spezielle Gas als Modellsystem, mit dem auf einfache Weise der bisher weitgehend unbekannte Übergangsmechanismus in die superfluide Phase innerhalb von 2D-Strukturen untersucht werden kann. Davon erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse auf dem langen Weg zum Raumtemperatursupraleiter.
Abb.: Atomares Gas in einer magneto-optischen Falle – die leuchtende rote Wolke, die in der Mitte der Vakuumkammer schwebt, besteht aus rund einer Milliarde Lithium-Atomen. Diese haben eine Temperatur von zirka 500 µK. Laserstrahlen fangen die Atome ein und kühlen sie ab. (Bild: M. Ries, RKU)
Zwei der beeindruckendsten Phänomene, bei denen quantenmechanisches Verhalten in der „normalen“ Welt sichtbar wird, sind die Superfluidität und die daraus entstehende Supraleitung. Gut verstanden ist das Verhalten der konventionellen Supraleiter, bei dem sich die Elektronen dreidimensional bewegen. Ihr Nachteil liegt jedoch darin, dass die Supraleitung hier nur bei sehr kalten Temperaturen weit unter minus 200 Grad Celsius vorliegt. Eine technologische Nutzung ist aufgrund der aufwendigen Kühlung schwierig, so der Martin Ries. „Seit einigen Jahren ist es nun möglich, Hochtemperatursupraleiter herzustellen. Hier liegt die kritische Temperatur deutlich höher, leider aber immer noch bei knapp unter minus 130 Grad Celsius. Hinzu kommt, dass ihre Funktionsweise nach wie vor nur in Ansätzen bekannt ist. Damit wird es schwierig, bessere Supraleiter dieser Art zu entwickeln“, sagt der Wissenschaftler, der in Jochims Team forscht.
Wie Ries erläutert, geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass sich Elektronen in Hochtemperatursupraleitern effektiv nur zweidimensional bewegen können. Daher haben sich die Heidelberger Physiker in ihrer Forschung zu Superfluidität und Supraleitung auf 2D-Strukturen konzentriert. Hier ist der Phasenübergang in die superfluide Phase im Vergleich zu drei Dimensionen stark verändert, wobei der Übergangsmechanismus bisher wenig verstanden und theoretisch nur schwer zu fassen ist. Zwar existiert seit den 1970er-Jahren eine Beschreibung im Rahmen der BKT-Theorie. Allerdings funktioniert diese nur im Fall von schwachen Kräften zwischen den Elektronen. „Aber was genau bei stärkeren Kräften passiert, war bislang unbekannt, obwohl gerade dieses Szenario von besonderer Bedeutung ist“, sagt Ries.
Abb.: Im Hintergrund ist die Vakuumkammer zu erkennen, in der die Wissenschaftler die Quanten-Superflüssigkeit präpariert haben. Im Vordergrund sind Spiegel und Linsen der Laserfalle angeordnet. In dieser Apparatur können die Physiker alle 15 Sekunden ein zweidimensionales ultrakaltes Gas erzeugen und seine Eigenschaften messen. (Bild: M. Ries, RKU)
Den Physikern um Jochim ist es nun gelungen, ein einfaches Modellsystem zu bauen, um damit gleichsam eine Quantensimulation für den Übergang in die superfluide Phase in zweidimensionalen Strukturen durchzuführen. Die Grundlage dafür bildet ein zweidimensionales ultrakaltes Atomgas, das in einer Laserfalle gefangen wird. „So erzeugen wir ein ,sauberes‘, leichter zu verstehendes System, bei dem aber das quantenmechanische Verhalten der Teilchen dem der Elektronen in zweidimensionalen Strukturen gleicht“, unterstreicht Ries. Tatsächlich konnten die Forscher damit den Übergang in eine superfluide Phase bei niedrigen Temperaturen beobachten und die kritische Temperatur messen, und zwar für beliebige Kräfte zwischen den Teilchen. „Auf diese Weise können wir nun künftig unterschiedliche Theorien für die 2D-Superfluidität relativ einfach überprüfen“, erläutert Jochim, dessen Team aktuell die Korrelationen in der superfluiden Phase untersucht. „Langfristig erhoffen wir uns davon ein besseres Verständnis der Hochtemperatursupraleitung, was dann auf lange Sicht zur Entwicklung eines Raumtemperatursupraleiters führen könnte.“
RKU / OD