Eine neue Rakete zu entwickeln, die mit Hilfe von Sauerstoff und Alkohol fliegt: Diesem Ziel sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die brasilianische Raumfahrtagentur Agência Espacial Brasileira einen großen Schritt näher gekommen. Das zeigen aktuell präsentierte Ergebnisse der ersten Brenntest-Kampagne für das Oberstufen-Triebwerk eines zukünftigen brasilianischen Kleinträgers. Die Tests mit zwei neu konzipierten Einspritzköpfen waren im Dezember 2016 im Rahmen einer deutsch-brasilianischen Kooperation erfolgreich abgeschlossen worden.
Abb.: Einspritzköpfe im Brenntest. (Bild: DLR)
„Um die optimale Technik für den Antrieb einer zukünftigen deutsch-brasilianischen Rakete zu finden, wurden parallel zwei Einspritzköpfe entwickelt, die auf unterschiedlichen Konzepten beruhen“, so Projektleiterin Lysan Pfützenreuter vom DLR-Raumfahrtmanagement. „Bei dieser ersten Kampagne haben wir alle wichtigen Testziele erreicht. So wurden an zwanzig Tagen insgesamt 42 Zündungen erfolgreich durchgeführt. Dabei konnten wir unter anderem das Zündverhalten und die Stabilität des Systems während Zündung und Anfahren der Schubkammer genau analysieren. Hierdurch haben wir wichtige Erkenntnisse für die weitere Triebwerksentwicklung gewonnen.“
Die Tests haben in der Zeit von Juli bis Dezember 2016 am Prüfstand P8 des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe am Standort Lampoldshausen stattgefunden. Die beiden Einspritzköpfe unterscheiden sich vor allem in der Art und Weise, wie der Treibstoff in die Brennkammer eingesprüht und vermischt wird. Ein System stammt vom Instituto de Aeronáutica e Espaço in Brasilien, das andere wurde in Deutschland im Rahmen des Projekts SALSA – Systemauslegung eines Alkohol-LOX-Antriebs als Substitut für lagerfähige Antriebsstoffe – vom Raumfahrtunternehmen Airbus Safran Launchers entwickelt und gebaut.
Der Einspritzkopf soll einmal das Herzstück des neuen L75-Triebwerks werden, das zukünftig brasilianische Kleinträger antreiben soll. Die Besonderheit daran: Die neue Technik ermöglicht es, Ethanol – also gewöhnlichen Alkohol – als Treibstoff einzusetzen. Ethanol gehört, ebenso wie Methan, zu den „grünen“ Treibstoffen. Diese gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie umweltfreundlicher und weniger gesundheitsbelastend sind als die bislang in der Raumfahrt verwendeten Hydrazin-Verbindungen. Neben diesen positiven Effekten können durch diese neuen Treibstoffe auch die Kosten der Raumfahrt deutlich reduziert werden, da der bislang hohe Aufwand für die sichere Lagerung und Handhabung der Stoffe wesentlich geringer ist. In Europa ist es aufgrund der REACH-Verordnung sogar fraglich, wie lange Hydrazin noch als Treibstoff zugelassen sein wird. Diese Verordnung der Europäischen Union, die im Jahr 2007 in Kraft getreten ist, regelt die Zulassung und Verwendung von chemischen Stoffen.
In Europa gibt es bislang nur eine Möglichkeit, Triebwerkskomponenten für Orbitalraketen mit dem Treibstoff Ethanol zu testen: den Teststand P8 am DLR-Standort Lampoldshausen. „Der Teststand wurde bereits im Frühjahr 2016 um eine Hochdruck-Ethanolversorgung erweitert. Damit steht am P8 neben den bisherigen Treibstoffen Sauerstoff, Wasserstoff und Methan ein weiterer grüner Treibstoff zur Verfügung“, so Jan Alting, Projektleiter SALSA der Airbus Safran Launchers GmbH. „Für Europa deckt der P8 damit fast das gesamte Spektrum der aktuell interessanten Treibstoffkombinationen zur Technologieentwicklung und -erprobung von Schubkammern für Trägerraketen ab.“
DLR / RK