Mit Blick aufs Magnetfeld
Mikroskop zeigt gleichzeitig optisches Bild und Magnetfeld von lebenden Bakterien mithilfe von NV-Diamant-Sensoren.
Bei zahlreichen Tierarten spielen die besonderen Eigenschaften magnetischer Nanokristalle eine wichtige Rolle. Manchen dienen sie zur Navigation, andere härten und schützen damit ihr Gewebe. Viele magnetische Funktionen in Lebewesen sind aber noch schlecht erforscht, da es schwierig ist, ihr Wirken präzise über größere Zellverbände zu messen. US-Forscher haben nun ein Mikroskop entwickelt, das gleichzeitig ein optisches Bild und ein dreidimensionales Abbild des Magnetfeldes liefert. Hierzu kombinierten sie eine gewöhnliche Optik mit speziell dotierten Diamantplättchen, die sehr sensibel auf Magnetfelder reagieren.
Abb.: Skizze des Weitfeld-Magnet-Mikroskops: Magnetotaktische Bakterien schwimmen in einer phosphatgepufferten Salzlösung (PBS) auf einem Diamantchip, der Magnetfelder ausmisst. (Bild: D. Le Sage et al.)
Bei der Abbildung magnetischer Strukturen in Lebewesen gibt es einige Schwierigkeiten, denn die existierenden Technologien besitzen entweder eine zu geringe Auflösung oder arbeiten unter Bedingungen, die das Studium lebender Objekte unmöglich machen – wie etwa starke Elektronenstrahlung oder tiefe Temperaturen. Die Wissenschaftler mussten also ein Mikroskop entwickeln, dass bei Umgebungsbedingungen hochaufgelöste magnetische Abbildungen erzeugen kann.
Hierzu wählten sie Diamantplättchen mit Nitrogen-Vacancy-Zentren: Durch Beschuss mit Stickstoff-Ionen und anschließendes Ausheizen lässt sich die Kristallstruktur von Diamant verändern. Ein Stickstoff-Atom ersetzt dann zwei Kohlenstoff-Atome, wobei eine Fehlstelle im Kristallgitter entsteht. Der Elektronenspin dieser NV-Zentren besitzt auch bei Raumtemperatur noch lange Kohärenzzeiten in der Größenordnung von Millisekunden. Außerdem fällt ihre Zeeman-Verschiebung mit rund einem Bohrschen Magneton groß aus. Es ist möglich, NV-Zentren optisch auszulesen, sodass sich ein NV-Chip in ein optisches Mikroskop integrieren lässt.
Für ihr Experiment nutzten die Forscher Diamantplättchen, deren zehn Nanometer dicke NV-Schicht sich ebenso tief unter der Oberfläche befand. Für die Zeeman-Aufspaltung sorgte ein externes Magnetfeld von 37 Gauß. Die NV-Zentren initialisierten sie mit grünem Licht der Wellenlänge 532 Nanometer und manipulierten sie mit Mikrowellen. Ausgelesen wurden die NV-Zentren dann abhängig vom Spin-Zustand über Fluoreszenzlicht im roten Bereich des Spektrums. Die Probe beleuchteten sie mit hellem LED-Licht von 660 Nanometern. Ein besonderer Vorzug des gewählten Designs ist es, dass das Mikroskop ein weites Sichtfeld von rund 100 auf 30 Mikrometern besitzt, sodass die Forscher viele Zellen nebeneinander im Gewebe betrachten können.
Abb.: Optische Abbildung lebender Bakterien in Lösung (a), gleichzeitig aufgenommenes Magnetbild mit darüber projiziertem optischen Bild (b); in (c) und (d) dasselbe Schema mit trockenen, toten Bakterien direkt auf der Oberfläche des Diamantsensors. (Bild: D. Le Sage et al.)
Mit diesem Aufbau untersuchten sie den Einzeller Magnetospirillum magneticum, der zu den magnetotaktischen Bakterien gehört. Diese Bakterien besitzen spezielle „Magnetosome“ genannte Organellen, die aus Magnetit- oder Greigit-Kristallen bestehen, die von einer Membran umgeben sind. Die magnetischen Nanokristalle sind nicht nur hochreine, monokristalline Ferromagneten. Sie ordnen sich auch im Zellinnern kettenförmig aneinander und reagieren auf das Erdmagnetfeld. Damit können die Bakterien sich an diesem orientieren. Der gewählte Stamm der Bakterien zeigt in Magnetfeldexperimenten ein besonders gutes Signal-Rausch-Verhältnis und wird deshalb gerne als Versuchsobjekt eingesetzt. Es gibt aber Bakterienstämme, deren magnetisches Moment noch gut eine Größenordnung stärker ist.
Die Wissenschaftler untersuchten sowohl lebende Bakterien in einer phosphatgepufferten Salzlösung als auch tote, die sich eingetrocknet direkt auf der Oberfläche der Diamantplättchen befanden. In beiden Fällen gelang es ihnen, die Einzeller mitsamt ihren magnetischen Organellen zu beobachten und den Magnetfeldvektor in drei Dimensionen zu bestimmen. Im zweiten Fall erzielten sie eine höhere Auflösung von rund 400 Nanometern, da der Abstand zu den auslesenden NV-Zentren geringer war als bei den lebenden Bakterien. Bei diesen war die Auflösung je nach Position in der Lösung zum Teil deutlich geringer und lag über einem Mikrometer, dennoch konnten die Forscher immer noch subzelluläre Strukturen auflösen.
Um ihre Ergebnisse zu überprüfen, untersuchten sie die eingetrockneten Bakterien auf den Diamantplättchen mithilfe der Rasterelektronenmikroskopie und stellten eine gute Übereinstimmung mit ihren Daten fest. Sie schätzten auch das magnetische Moment der Bakterien ab. Dabei zeigten sich die Vorteile des neuen Mikroskop-Designs. Es gibt besser Aufschluss über die die individuellen Momente, wohingegen bisherige Technologien eher Mittelwerte über größere Populationen lieferten.
Damit hoffen die Forscher, in Zukunft die Entstehung und Funktion der Magnetosome in Bakterienkulturen besser zu verstehen. Weitere Anwendungsfelder sehen sie auch bei der Erforschung magnetischer Organellen, die höheren Tieren wie etwa Vögeln zur Navigation dienen. Künftig könnte es auch interessant werden, Technologien wie SQUIDs oder Elektronenresonanzmikroskopie unter biologischen Umgebungsbedingungen in Mikroskopsysteme zu integrieren.
Dirk Eidemüller
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