21.11.2016

Mit DNA verdrahtet

Selbstorganisation der Erbgut-Stränge könnte zu kleineren Schaltkreisen führen.

Winziger als ein AIDS-Virus – das ist der Umfang des derzeit kleinsten Transistors. Bis auf 14 Nanometer hat die Industrie die zentralen Elemente ihrer Computer­chips in den letzten 60 Jahren schrumpfen lassen. Doch die konven­tionellen Methoden stoßen an phy­sikalische Grenzen. Weltweit suchen Forscher nach Alternativen. Ein Weg könnte Selbstorganisation der komplexen Bauteile aus Molekülen und Atomen sein. Wissen­schaftlern des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf HZDR und der Universität Paderborn ist nun ein wichtiger Schritt gelungen: Die Physiker konnten durch vergoldete Nanodrähte, die sich selbstständig aus DNA-Einzel­strängen zusammengesetzt haben, Strom leiten.

Abb.: DNA-basierte Nanodrähte leiten – mit Goldpartikeln besetzt – Strom. Das bildet eine Grundlage, um Schaltkreise aus Erbgutmolekülen zu entwickeln. (Bild: HZDR)

Zunächst sieht es noch wie würmchen­artige Striche vor schwarzem Hintergrund aus. Doch wie die Nahaufnahme mit dem Elektronen­mikroskop zeigt, verbinden die nanometer­kleinen Strukturen zwei elektrische Kontakte. Dieser Anblick erfreut Artur Erbe vom Institut für Ionenstrahl­physik und Material­forschung am HZDR. „Unsere Messungen haben ergeben, dass durch diese winzigen Drähte Strom fließt.“ Nicht unbedingt eine Selbst­verständlichkeit, wie der Physiker betont. Immerhin handelt es sich bei den Bau­elementen um modi­fizierte DNA. Um ihre Nanodrähte herzustellen, haben die Forscher einen langen Einzel­strang des Erbguts mit kürzeren DNA-Schnipseln über die Basenpaare zu einem stabilen Doppel­strang verbunden. Auf diese Weise nehmen die Strukturen selbst­ständig die gewünschte Form an.

„Mit Hilfe dieses Verfahrens, das sich an die japanische Papier­falttechnik Origami anlehnt und dement­sprechend als DNA-Origami bezeichnet wird, können wir winzige Muster kreieren“, erläutert der HZDR-Forscher. „Denkbar sind hier auch extrem kleine Schalt­kreise, die sich aus Molekülen und Atomen zusammen­setzen.“ Diese „Bottum-Up“-Strategie will die konven­tionelle Produktions­weise elektronischer Bau­elemente auf den Kopf stellen. „Bislang nutzt die Industrie die Top Down-Methode. Vom Grund­material werden so lange Teile weggeschnitten, bis man bei der gewünschten Struktur angekommen ist. Aufgrund der anhaltenden Minia­turisierung ist das aber bald nicht mehr möglich“, sagt Erbe. Der neuartige Ansatz orientiert sich dagegen an der Natur: aus Molekülen entwickeln sich durch selbst­organisato­rische Abläufe komplexe Strukturen.

Die Elemente, die dabei entstehen, wären wesentlich kleiner als die derzeit winzigsten Bauteile moderner Computer­chips. Theoretisch könnten also kleinere Schaltkreise mit geringerem Aufwand hergestellt werden. Dabei gibt es jedoch ein Problem, wie Erbe zugibt: „Das Erbgut leitet Strom nicht besonders gut.“ Seine Kollegen und er haben deshalb über chemische Bindungen vergoldete Nano­partikel auf den DNA-Drähten platziert. Mit der Elektronen­strahl-Litho­graphie kontak­tierten sie die einzelnen Drähte anschließend elektronisch. „Diese Verbindung zwischen den wesentlich größeren Elektroden und einzelnen DNA-Strukturen hat bisher technische Schwierig­keiten bereitet. Durch unsere Kombination der beiden Verfahren konnten wir das lösen. Dadurch konnten wir erstmals den Ladungs­transport durch einzelne Drähte genau bestimmen.“

Wie die Unter­suchungen der Dresdner Forscher gezeigt haben, fließt tatsächlich Strom durch die vergoldeten Drähte – allerdings abhängig von der umgebenden Temperatur. „Bei abnehmenden Graden sinkt gleichzeitig der Ladungs­transport“, beschreibt Erbe die Ergebnisse. „Bei normaler Raum­temperatur funk­tionieren die Drähte aber gut, auch wenn die Elektronen teilweise von einem Gold­partikel zum nächsten springen müssen, da die Teilchen nicht komplett zusammen­wachsen. Der Abstand ist allerdings so gering, dass er sich nicht einmal mit den derzeit besten Mikro­skopen zeigen lässt.“ Um den Fluss zu verbessern, will das Team um Artur Erbe nun leitfähige Polymere zwischen die Goldpartikel einbauen. Auch der Metal­lisierungs­prozess lässt sich nach Ansicht des Physikers noch optimieren.

Insgesamt ist er mit den Resultaten zufrieden: „Wir konnten demonstrieren, dass die vergoldeten DNA-Drähte Strom leiten. Zwar sind wir noch im Stadium der Grundlagenf­orschung, weswegen wir bislang auch Gold anstelle eines kosten­günstigeren Metalls verwenden. Dennoch haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, der elek­tronische Geräte auf DNA-Basis in Zukunft ermög­lichen könnte.“

HZDR / JOL

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