03.06.2019

Mit KI Erdbeben analysieren

Schnellere Auswertung von Seismogrammen möglich.

Die Ankunft der vielen Erdbeben­wellen an der Seismometer­station – den Phaseneinsatz – genau zu bestimmen, ist wichtig für das präzise Lokalisieren der Erdbeben­ereignisse, was weitere exakte seismo­logische Auswertungen erst ermöglicht. Diese können unter anderem dazu dienen, Nachbeben vorherzusagen, die manchmal schwerere Schäden verursachen können als das erste Beben. Durch genaue Lokalisation von Erdbeben­zentren lassen sich auch physikalische Prozesse in der Tiefe besser unterscheiden, was wiederum Rückschlüsse auf den Aufbau des Erdinnern erlaubt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Künstliche Intelligenz die Erdbeben­analyse wesentlich verbessern kann – nicht nur bei großen Datenmengen, sondern auch bei begrenzter Datenlage“, erklärt Andreas Rietbrock vom Geo­physikalischen Institut (GPI) des Karlsruher Instituts für Tech­nologie.

Abb.: Die Analyse von Erdbebenwellen verlangte bisher viel menschliches...
Abb.: Die Analyse von Erdbebenwellen verlangte bisher viel menschliches Know-how. Mit einem neuronalen Netz lassen sich nun mehr Daten schneller auswerten. (Bild: M. Balzer, KIT)

Durch Auswertung der Seismo­gramme, dem Picken, lassen sich die Einsatzzeiten der einzelnen Phasen ermitteln. Dies geschieht traditionell von Hand. Doch beim manuellen Picken kann die Subjek­tivität des jeweiligen Seismologen die Genauigkeit beein­trächtigen. Vor allem aber erfordert die manuelle Auswertung mittlerweile einen nicht mehr zu vertretenden Zeit- und Personalaufwand, weil die Menge der verfügbaren seismischen Daten immer größer wird und die Seismometer-Netzwerke immer dichter werden. Um alle Infor­mationen schnell zu nutzen, bedarf es einer auto­matischen Auswertung. Die bisher entwickelten Picker­algorithmen erreichen allerdings nicht die Genauigkeit des manuellen Pickens durch einen erfahrenen Seismo­logen, weil Entstehung und Ausbreitung von Erdbeben äußerst komplexe Vorgänge sind und verschiedene physi­kalische Prozesse das seismische Wellenfeld beein­flussen.

Künstliche Intelligenz aber kann die Daten ebenso genau auswerten wie der Mensch. Dies haben Wissen­schaftler am GPI, an der University of Liverpool und an der University of Granada nun gezeigt. Wie die Forscher berichten, setzten sie ein faltendes neuronales Netz (Convolutional Neural Network – CNN) ein, um Phasen­einsätze eines seismisches Netzwerk in Chile zu bestimmen. CNNs sind von bio­logischen Nerven­systemen inspiriert und bestehen aus verschiedenen Schichten von miteinander verbun­denen künst­lichen Neuronen. Beim Deep Learning, einer Methode des Maschinellen Lernens, werden die erkannten und gelernten Merkmale von Schicht zu Schicht weiter­gereicht und dabei immer weiter verfeinert.

Bei einem Erdbeben breiten sich seismische Wellen verschiedenen Typs durch die Erde aus. Haupttypen sind die Kom­pressions- oder Primärwellen (P-Wellen) und die Scher- oder Sekundär­wellen (S-Wellen). Zunächst treffen die schnelleren P-Wellen an einer seismologischen Station ein, dann die langsameren S-Wellen. Die Forscher trainierten das CNN mit einem relativ kleinen Datensatz zu 411 Erdbeben­ereignissen im Norden von Chile. Daraufhin bestimmte das CNN die Einsatz­zeiten von unbekannten P-Phasen und S-Phasen mindestens so genau wie ein erfahrener Seismo­loge beim manuellen Picken und genauer als ein klassischer Picker­algorithmus.

KIT / JOL

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