21.02.2020 • Optik

Mit laserbasiertem Abbildungsverfahren Tierversuche vermeiden

Neue Methode misst die Wirkung entwicklungsneurotoxischer Chemikalien ohne Versuche an Säugetieren.

Das Gehirn von Säuglingen reagiert empfind­licher auf Chemikalien als das erwachsener Menschen. Daher können Industrie­chemikalien, Pflanzen­schutz­mittel, Inhalts­stoffe von Kosmetika oder Arznei­mittel das sich entwickelnde Nerven­system während der Schwanger­schaft oder auch nach der Geburt schädigen. Die Anzahl bisher unter­suchter Chemikalien ist gering, da die erforder­lichen Test­ver­fahren sehr aufwändig sind und eine hohe Anzahl von Tier­versuchen mit Labor­nagern erfordern. Ein Zell­kultur­test würde Zeit sparen, kosten­günstiger sein – und viel wichtiger: Tier­versuche ersetzen. Forscher der Stiftung Tier­ärzt­liche Hoch­schule Hannover und des Laser-Zentrums Hannover haben ein bild­gebendes Verfahren entwickelt, mit dem chemische Substanzen am Insekten­embryo der Wander­heu­schrecke auf eine entwicklungs­neuro­toxi­ko­logische Wirkung getestet werden können.

Abb.: 3D-Ansicht der Pionierneuronen in den Extremitätenknospen. In Rot...
Abb.: 3D-Ansicht der Pionierneuronen in den Extremitätenknospen. In Rot dargestellt ist ein Paar parallel verlaufender Ti1-Pionierneuronen. Die beiden Zellkörper scheinen verschmolzen zu sein. (Bild: TiHo Hannover)

Ein essenzieller Aspekt der Gehirn­ent­wick­lung ist die präzise Verknüpfung zwischen den Nerven­zellen. Das Test­system erfasst, nachdem eine Chemikalie zugefügt wurde, die Störungen der neuronalen Verschaltung von Pionier­axonen zum zentralen Nerven­system. Pionier­axone sind im sich entwickelnden Organismus die Nerven­zellen, die die ersten Zell­fort­sätze ausbilden. Die aus­wachsenden Zell­fort­sätze dieser Pionier­neuronen bahnen sich entlang von Wegweiser­molekülen ihren Weg zum zentralen Nerven­system. „Die zellulären Mecha­nismen dieser Navigation neuronaler Fort­sätze sind zwischen wirbel­losen Tieren und der Hirn­rinde von Säuge­tieren während der Evolution nicht verändert worden“, erläutert Gerd Bicker von der TiHo Hannover. „Daher erlaubt die Sensi­ti­vität auf gefähr­liche Chemikalien im Insekten­embryo-Test auch Aussagen über die Entwick­lungs­neuro­toxi­zität beim Menschen.“

Bicker und seine Kollegen haben die anatomische Form der Pionier­neuronen drei­dimen­sional visua­li­siert und exakt vermessen. Dazu haben sie Embryos der Heu­schrecken mit dem CRISTAL-Verfahren optisch durch­sichtig gemacht und stabil einge­bettet. Die Bild­gebung erfolgte mit der Scanning Laser Optical Tomo­graphy, einer in der Abteilung für indus­trielle und bio­medi­zinische Optik des LZH entwickelten Methode, bei der ein trans­pa­rentes Objekt mit einem Laser­strahl abge­rastert und das entstandene Fluores­zenz­licht von einem hoch­empfind­lichen Photo­detektor erfasst wird.

Ein Algorithmus aus der medizinischen Röntgen­computer­tomo­graphie errechnet dann das 3D-Bild. Anschließend können die Wissen­schaftler die Pionier­neuronen durch eine digitale Bild­analyse mit einem halb­auto­ma­tischen Segmen­tierungs­verfahren darstellen und in ihrer Wuchs­form vermessen. So identi­fi­zierte das Segmen­tierungs­verfahren beispiels­weise die Test­substanzen Methyl­queck­silber oder Natrium­arsenit in Über­ein­stimmung mit epidemio­logischen Daten und Tier­versuchen als entwick­lungs­neuro­toxisch. „Jetzt vali­dieren wir den Insekten­embryo-Test mit einem Trainings­set von bekannten entwick­lungs­neuro­toxischen und Kontroll-Substanzen auf seine zuver­lässige Aussage­kraft“, erklärt Bicker.

TiHo Hannover / RK

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