Mit laserbeschleunigten Protonen die Astrophysik verstehen
Erstmals per Hochleistungslaser beschleunigte Protonen zur Spaltung von Atomkernen eingesetzt.
Große Mengen von Protonen auf kurzer Strecke in Sekundenbruchteilen auf Geschwindigkeit bringen – das funktioniert mit der in den letzten Jahren stark weiterentwickelten Technik der Laserbeschleunigung. Einem Forschungsteam des GSI-Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung ist es in Zusammenarbeit mit dem Lawrence Livermore National Laboratory in den USA geglückt, mit dem GSI-Hochleistungslaser PHELIX beschleunigte Protonen zur Spaltung anderer Kerne einzusetzen und diese zu analysieren. Die Ergebnisse könnten unter anderem neue Einblicke in astrophysikalische Prozesse ermöglichen.
Weniger als eine Pikosekunde lang beleuchtet der PHELIX-Laser mit seinem hochintensiven Lichtpuls eine hauchdünne Goldfolie. Das reicht, um etwa eine Billion nur leicht an das Gold gebundene Protonen von der Oberfläche der Rückseite der Folie hinauszuschleudern und sie auf hohe Energien zu beschleunigen. „So viele Protonen in einer so kurzen Zeitspanne lassen sich mit herkömmlichen Beschleunigungstechniken nicht erreichen“, erklärt Pascal Boller, von der in der GSI-Forschungsabteilung Plasmaphysik/PHELIX. „Mit dieser Technik lassen sich daher völlig neue Forschungsgebiete erschließen, auf die wir vorher keinen Zugriff hatten.“
Dazu gehört unter anderem die Erzeugung von Spaltungsreaktionen. Zu diesem Zweck lassen die Forscher die frisch erzeugten schnellen Protonen auf Uran-Materialproben prasseln. Uran wurde aufgrund seines großen Reaktionsquerschnitts und der Verfügbarkeit von veröffentlichten Daten für Benchmarking-Zwecke als Fallstudienmaterial ausgewählt. Die Proben müssen dicht an der Protonenerzeugung stehen, um eine maximale Ausbeute an Reaktionen zu garantieren. Die durch den PHELIX-Laser erzeugten Protonen sind schnell genug, um die Fission der Urankerne in kleinere Spaltprodukte herbeizuführen, die im Anschluss identifiziert und vermessen werden sollen. Allerdings hat der Laseraufprall unerwünschte Nebenwirkungen: Er erzeugt einen starken elektromagnetischen Puls und einen Blitz aus Gammastrahlen, der die empfindlichen Messinstrumente für die diese Detektion stört.
An dieser Stelle kommt den Forschern ein anderes Verfahren zu Hilfe. Zur chemischen Untersuchung von superschweren Elementen ist schon länger ein Transportsystem im Einsatz, das die gewünschten Teilchen über längere Strecken vom Reaktionsort zum Detektor bringen kann. Die Reaktionskammer wird von einem Gas durchflossen, das – im Fall der Fissions-Experimente – die Spaltprodukte mitnimmt und in nur wenigen Sekunden über kleine Plastikröhrchen zu den nun mehrere Meter entfernten Messapparaturen transportiert. So kann Erzeugung und Messung räumlich getrennt und die Störung verhindert werden.
Erstmals gelang es in den Experimenten, die beiden Techniken zu verbinden und dabei verschiedene Caesium-, Xenon- und Iod-Isotope durch die Uran-Fission zu erzeugen, zuverlässig über die Aussendung von Gammastrahlung zu identifizieren und ihre kurzen Lebensdauern zu beobachten. Damit steht nun eine Methodik zur Verfügung, um Spaltungsreaktionen in hochdichter Materie im Plasmazustand zu untersuchen. Vergleichbare Gegebenheiten finden sich beispielsweise im Weltall im Inneren von Sternen, Sternexplosionen oder Neutronensternverschmelzungen.
„Die Reaktionsvorgänge von Kernen zu verstehen, die im Plasma miteinander interagieren, kann uns Einblicke in die Nukleosynthese ermöglichen. Nukleosynthese-Vorgänge wie s-Prozess oder r-Prozess spielen sich in genau solchen Medien ab“, erläutert Boller. „Welche Rolle Fissionsreaktionen in diesen Prozessen spielen, ist noch nicht im Detail erforscht. Hier können die laserbeschleunigten Protonen neue Informationen liefern.“
GSI / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
P. Boller et al.: First on-line detection of radioactive fission isotopes produced by laser-accelerated protons, Sci. Rep. 10, 17183 (2020); DOI: 10.1038/s41598-020-74045-5 - Plasmaphysik/PHELIX , GSI-Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Darmstadt
- Lawrence Livermore National Laboratory, Livermore, USA
Weitere Beiträge
- V. Bagnoud, S. Borneis, T. Kühl und K. Witte, Licht für schwere Ionen (Physik Journal, Februar 2010, S. 35) PDF
- M. Keuntje, Phelix: In der Kombination einzigartig (Physik Journal, Juli 2008, S. 10) PDF