Mit Quantensimulation Neutronensterne entschlüsseln
Forscher simulieren Rotationsanomalien numerisch mit ultrakalten dipolaren Atomen.
Neutronensterne zeigen häufig ein eigenartiges Verhalten, das als „Glitch“ bezeichnet wird. Dabei beschleunigt der Stern plötzlich seine Rotation. Das Phänomen deutet darauf hin, dass Neutronensterne möglicherweise teilweise supraflüssig sind. In einer Supraflüssigkeit ist die Rotation durch zahlreiche winzige Wirbel gekennzeichnet, von denen jeder einen Teil des Drehimpulses trägt. Ein Glitch tritt auf, wenn diese Wirbel aus der inneren Kruste des Sterns in seine feste, äußere Kruste entweichen und dadurch die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns erhöhen.
Ein Team von Quantenphysikern und Astrophysikern hat jetzt dieses Phänomen auf neuartige Weise untersucht: Die Forscher haben es mit ultrakalten dipolaren Atomen numerisch simuliert. Der Schlüssel zu dieser Studie liegt im Konzept des Suprafestkörpers – einem Zustand, der sowohl kristalline als auch supraflüssige Eigenschaften aufweist, und der als notwendige Bedingung für die Rotationsstörungen von Neutronensternen vorhergesagt wurde. Demnach nisten sich quantisierte Wirbel im Suprafestkörpers ein, bis sie kollektiv entweichen und von der äußeren Kruste des Sterns absorbiert werden, was dessen Rotation beschleunigt. Kürzlich wurden suprafeste Zustände in Experimenten mit ultrakalten, dipolaren Atomen realisiert. Das bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Bedingungen im Inneren eines Neutronensterns auf der Erde zu simulieren.
Die Simulationen zeigen, dass in ultrakalten suprafesten Phasen Störungen auftreten können, die mit den Vorgängen im Inneren von Neutronensternen vergleichbar sind. Dieser Ansatz ermöglicht eine detaillierte Erforschung dieses Phänomens und seiner Abhängigkeit von Eigenschaften des Suprafestkörpers. „Unsere Forschung stellt eine enge Verbindung zwischen Quantenmechanik und Astrophysik her und bietet Einblicke in das Innenleben von Neutronensternen“, sagt Elena Poli von der Uni Innsbruck. Die Vorgänge liefern wertvolle Erkenntnisse über die innere Struktur und Dynamik von Neutronensternen. Durch die Untersuchung dieser Ereignisse können die Wissenschaftler mehr über die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen erfahren.
„Die Forschung demonstriert einen neuen Ansatz, um Einblicke in das Verhalten von Neutronensternen zu gewinnen, und eröffnet neue Wege für die Quantensimulation von stellaren Objekten in niederenergetischen Laboren auf der Erde“, betont Francesca Ferlaino von der Uni Innsbruck.
U. Innsbruck / RK