18.06.2014

Mit zwei Neutronenstrahlen sieht man besser

„Dual Spectrum Neutron Radiography“ gibt Einblick in die Eisbildung in Brennstoffzellen.

Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI haben mit Hilfe einer neuartigen Methode erstmals die Verteilung von Eis und flüssigem Wasser in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle direkt abgebildet. Die neue Bildgebungstechnik verwendet zwei Strahlen mit unterschiedlicher Neutronenenergie, um Bereiche mit flüssigem Wasser von solchen mit Eis mit hoher Zuverlässigkeit zu unterscheiden. Die Methode eröffnet somit die Perspektive, eines der wichtigsten Probleme bei der Anwendung von Brennstoffzellen als Fahrzeugantrieb zu untersuchen.

Abb.: Pierre Boillat und Johannes Biesdorf mit einer Brennstoffzelle, die ohne Vorwärmen unter Null Grad Celsius gestartet ist. (Bild: PSI / M. Dzambegovic)

Als Nebenprodukte in Brennstoffzellen fallen nur Wärme und Wasser an. Doch gerade Letzteres, das Wasser, kann für Brennstoffzellen-Antriebe in der Praxis ein Problem darstellen. In kälteren Klimaregionen kann das Wasser nämlich bei abgeschaltetem Antrieb gefrieren und die Funktion der Brennstoffzellen beeinträchtigen. Eine neue Arbeit von PSI-Forschenden ermöglicht es zum ersten Mal, die Verteilung von Eis und Wasser in einer Brennstoffzelle direkt abzubilden. Das eröffnet eine neue Möglichkeit, um das Problem der Eisbildung besser zu untersuchen und dessen Lösung weiter zu optimieren.

Eis kann sich in den porösen Strukturen der Elektroden einer Brennstoffzelle ablagern. Das Eis behindert die Funktion der Zelle, indem es die Poren verstopft, durch die der Sauerstoff an die Kathode der Zelle gelangt. Wenn der Sauerstoff die Kathode der Zelle nicht erreicht, können die elektrochemischen Reaktionen, in denen die Zelle Strom produziert, nicht mehr stattfinden. Die poröse Elektrodenstruktur dient auch dazu, das Wasser aus der Brennstoffzelle fliessen zu lassen. Das nach dem Betrieb noch verbliebene flüssige Wasser kann dann zum Beispiel über Nacht gefrieren. Dies kann auch mechanische Schäden an den Komponenten der Zelle verursachen.

Abb.: Verteilung von Eis und Wasser in einer zylindrischen Wassersäule; rot: nur Eis (Bild: APS)

Die Bildgebung von Wasser mit Neutronen nutzt die Streuung von Neutronen an den Wasserstoffatomen. Das Ausmass der Abschwächung hängt bei der neuen Technik, der „Dual Spectrum Neutron Radiography“, von der Bewegungsenergie der Wassermoleküle ab. Im gefrorenen Zustand ist diese Bewegungsenergie viel kleiner als im flüssigen Zustand. So kann flüssiges Wasser vom Eis unterschieden werden. Wollte man Wasser und Eis in einem konventionellen Neutronenexperiment auseinanderhalten, müsste die Dicke der untersuchten Wasserschicht im Voraus bekannt sein. In Brennstoffzellen ist das aber in der Regel nicht möglich; die Forschenden fanden jedoch einen Ausweg, indem sie ihre Proben mit zwei Neutronenstrahlen massen.

Bei der neuen Bildgebungstechnik vergleicht man, wie zwei Neutronenstrahlen mit jeweils unterschiedlicher Neutronenenergie von den Wassermolekülen abgeschwächt werden. Einer dieser Strahlen wurde dahingehend gefiltert, dass er nur noch Neutronen mit niedriger Energie enthielt. Der zweite Strahl wurde hingegen in seiner ursprünglichen Form mit dem gesamten Neutronenspektrum belassen. Aus dem Verhältnis der Abschwächung der beiden Strahlen erhält man die Anteile von flüssigem Wasser und Eis in der Zelle, ohne dass eine Wasserschichtdicke im Voraus bekannt sein müsste. Das Verhältnis der Abschwächungen hängt nur von der unterschiedlichen Stärke ab, mit der flüssiges Wasser und Eis die Neutronen ablenken. Deshalb kann man aus dem Vergleich der Messungen mit gefiltertem und ungefiltertem Neutronenstrahl jeweils den Aggregatzustand des Wassers bestimmen.

Durch ihre Messungen an der Neutronenstrahllinie ICON der PSI-eigenen Neutronenquelle SINQ konnten die PSI-Forschenden nicht nur die Verteilung von Wasser und Eis in einer Brennstoffzelle kartieren. Ihnen gelang auch zum ersten Mal der direkte Nachweis für eine alte Vermutung über das Verhalten von Wasser in Brennstoffzellen. Es wurde nämlich schon lange angenommen, dass Wasser in Brennstoffzellen im unterkühlten Zustand vorhanden sein könnte. Durch direkte Abbildung konnten die Autoren der neuen Studie nun zeigen, dass bei Temperaturen von bis zu Minus 7,5 Grad flüssiges Wasser in der Zelle übrigblieb. „Der Beweis, dass unterkühltes Wasser in Brennstoffzellen vorkommt, ist nicht nur in theoretischer Hinsicht wichtig“, sagt Thomas Justus Schmidt, Leiter des Labors für Elektrochemie und Mitautor der Studie. „Auch für die praktische Anwendung ist es gut zu wissen, dass man eine Marge an Temperatur hat, in der man sich nicht um die Eisbildung kümmern muss.“

PSI / DE

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