Mittelschwere Schwarze Löcher
Bisher gab es nur zwei Arten Schwarzer Löcher - superschwere und relativ leichte. Jetzt ist man einer dritten Klasse auf der Spur.
Mittelschwere Schwarze Löcher
Bisher gab es nur zwei Arten Schwarzer Löcher - superschwere und relativ leichte. Jetzt ist man einer dritten Klasse auf der Spur.
Amsterdam – Zwei Klassen von Schwarzen Löchern konnten Astronomen bis heute mit Sicherheit nachweisen: Superschwere mit einigen Millionen Sonnenmassen und relativ leichte, die etwa das zwei- bis zehnfache unserer Sonne wiegen. Aus Beobachtungen des Röntgensatelliten Chandra konnte nun ein internationales Forscherteam wahrscheinlich den fehlenden, mittelschweren Schwarzen Löchern auf die Spur kommen. Mit 800 bis 3000 Sonnenmassen verstecken sie sich womöglich hinter intensiven, kosmischen Röntgenquellen, die ihren Ursprung in gigantischen Sternen-Kollisionen haben. Die Modellrechnungen, die zu dieser Interpretation führten, veröffentlichen die Wissenschaftler im Fachblatt "Nature".
"In jungen Sternenhaufen wie MGG 11 (in der Galaxie M82) könnten sich supermassive Sterne durch wiederholte Kollisionen bilden", berichten die Astronomen um Simon Portegies Zwart von der Universität Amsterdam. Damit beschreiben die Forscher einen ersten wichtigen Schritt hin zur Bildung eines mittelschweren Schwarzen Loches. Danach stürzen – angetrieben durch die Schwerkraft – die benachbarten Sterne innerhalb eines Sternenclusters zum Zentralstern hin. Ab einer gewissen Masse entsteht durch die gewaltigen Kräfte zwischen den sich zusammenballenden Sternen das Schwarze Loch. Diese Kollisionen verliefen dabei so schnell, dass sich ein Stern währenddessen nicht über eine Supernova "verflüchtigen" könnte. So steht dieser Mechanismus im krassen Gegensatz zu klassischen Bildungsprozessen für Schwarze Löcher, die das letzte Stadium nach einer Supernova eines massereichen Sterns darstellen können.
Die Region um den jungen Sternenhaufen MGG 11 ist eine ultrahelle Röntgenquelle. Die Energie, die zur Aussendung dieser Röntgensignale nötig ist, wird dabei während der vermuteten Kollisionen der Sterne freigesetzt. Am Ende dieses Prozesses entsteht einer Simulation zufolge ein Schwarzes Loch. (Quelle: Chandra X-Ray Observatory)
Erkannt haben Zwart und Kollegen einen Kandidaten für diese Schwarzen Löcher auf einer hochaufgelösten Aufnahme des Röntgenteleskops Chandra. Die Region um MGG 11 zeichnete sich dabei als eine ultrahelle Röntgenquelle aus (ULX, ultraluminous X-ray source). Die Energie, die zur Aussendung dieser Röntgensignale nötig ist, wird dabei während der vermuteten Kollisionen der Sterne freigesetzt. Zwart und Kollegen beschreiben diesen Prozess, an deren Ende ihre Computersimulationen ein Schwarzes Loch vorhersagen, als "runaway"-Verhalten des massereichen Zentralsterns des Clusters. Anhand des Beispiels MGG 11 ergaben ihre Vielteilchen-Modelle ein Schwarzes Loch zwischen 300 und 900 Sonnenmassen.
"Aber diese Verbindung zwischen ULX und mittelschweren Schwarzen Löchern ist nicht zwingend", sagt Nate McCrady, Astronom von der University of California, Berkeley, zu der Theorie von Zwart. Auch andere Phänomene könnten die hohe Leuchtkraft von ULXs erklären. Daher seien weitere hochauflösende Beobachtungen von Sternenhaufen und ULX nötig, um die nun eröffnete Debatte um die Existenz von mittelschweren Schwarzen Löchern weiterzuführen.
Jan Oliver Löfken
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
S.F.P. Zwart et al., Formation of massive black holes through runaway collisions in dense young star clusters, Nature 428, 724 (2004). - Kommentar:
N. McCrady, The missing black-hole link, Nature 428, 704 (2004). - Kontakt:
Simon Portegies Zwart, Homepage: http://www.astro.uva.nl/~spz - Universität Amsterdam: http://www.uva.nl/
- Astronomisches Institut "Anton Pannekoek":
http://www.astro.uva.nl/home.html - University of California, Berkeley, Dep. Of Astronomy:
http://astron.berkeley.edu/ - Chandra Röntgenteleskop:
http://chandra.harvard.edu - Schwarze Löcher:
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Weitere Literatur:
- McCrady, N., Gilbert, A. M. & Graham, J. R., Kinematic masses of super star clusters in M82 from high-resolution near-infrared spectroscopy, Astrophys. J. 596, 240 (2003).
- Gürkan, M. A., Freitag, M. & Rasio, F. A., Formation of massive black holes in dense star clusters, I. Mass segregation and core collapse, Astrophys. J. 604, 632 (2004).
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0308449 (preprint) - King, I. R., The structure of star clusters, III. Some simple dynamical models, Astron. J. 71, 64 (1966).
- Heggie, D. C. & Hut, P., The Gravitational Million-Body Problem (Cambridge Univ. Press, Cambridge, 2003).
- Whitmore, B. C. et al., The luminosity function of young star clusters in “The Antennae” galaxies, Astrophys. J. 118, 1551 (1999).
- Zezas, A., Fabbiano, G., Rots, A. H. &Murray, S. S., Chandra observations of “The Antennae” galaxies (NGC 4038/4039), III. X-ray properties and multiwavelength associations of the X-ray source population, Astrophys. J. 577, 710 (2002).
- Matsushita, M. S. et al., Formation of a massive black hole at the center of the superbubble in M82, Astrophys. J. 545, L107