22.02.2022 • Atome und MoleküleLaser

Molekül-Schnappschuss durch Explosion

Weltgrößter Röntgenlaser zerstört Molekül – die entstehenden Bruchstücke liefern das Bild des intakten Moleküls.

Das Fotomotiv zur Explosion bringen, um ein Bild davon zu machen? Diese rabiate Methode hat ein inter­nationales Forschungs­team am welt­größten Röntgen­laser European XFEL zum Ablichten größerer Moleküle benutzt. Mit Hilfe ultra­heller Röntgen­blitze konnten die Wissen­schaftler Bilder des Moleküls Iodpyridin in der Gasphase mit atomarer Auflösung aufnehmen. Bei dem Verfahren werden die Moleküle durch den Röntgen­laser zur Explosion gebracht und aus den Trümmern wird das Bild rekonstruiert.

Abb.: Forscher ver­wenden Röntgen­strahlen, um die Ex­plo­sion ein­zelner...
Abb.: Forscher ver­wenden Röntgen­strahlen, um die Ex­plo­sion ein­zelner Mole­küle aus­zu­lösen. Aus dem Frag­men­tie­rungs­muster er­halten sie detail­lierte Infor­ma­tionen über das Mole­kül und seine Frag­men­tie­rung. (Bild: illus­tra­toren.de / Tobias Wueste­feld / Euro­pean XFEL)

„Dank der intensiven und kurzen Röntgenpulse des European XFEL konnten wir ein für diese Methode und Molekül­größe beispiellos klares Bild erzeugen“, berichtet Rebecca Boll von European XFEL, die Initiatorin des Experiments. Solche deutlichen Abbildungen von größeren Molekülen waren mit der verwendeten Technik bislang nicht möglich. Die Aufnahmen sind ein wichtiger Schritt hin zu Molekül-Filmen, mit denen Forscher künftig mit hoher Auflösung Details von biochemischen, chemischen und physi­ka­lischen Reaktionen beobachten möchten. Von solchen Filmen werden neue Anstöße für Entwicklungen in verschiedenen Forschungs­gebieten erwartet.

„Die von uns verwendete Methode ist insbesondere zur Unter­suchung photo­chemischer Prozesse interessant“, erklärt Till Jahnke vom European XFEL. Solche Vorgänge, bei denen chemische Reaktionen durch Licht ausgelöst werden, sind sowohl im Labor als auch in der Natur von großer Bedeutung. „Die Entwicklung solcher Filme ist zunächst Grund­lagen­forschung, aber die damit gewonnenen Erkenntnisse könnten in der Zukunft dazu beitragen, solche Prozesse besser zu verstehen und neue Ideen für die Medizin, nachhaltige Energie­gewinnung oder Material­forschung zu entwickeln“, sagt Jahnke.

Bei der als Coulomb Explosion Imaging bezeichneten Methode schlägt ein hoch­intensiver und ultra­kurzer Röntgen­laser­puls aus den Atomen des Moleküls zahlreiche Elektronen heraus. Zurück bleiben elektrisch positiv geladene Atome, die sich gegen­seitig abstoßen. Durch die starke elektro­statische Abstoßung explodiert das Molekül innerhalb von wenigen Femto­sekunden. Die einzelnen Atome fliegen auseinander und werden von einem Detektor registriert.

Die Technik soll Moment­aufnahmen sehr schneller Prozesse ermöglichen. „Bislang war diese Methode allerdings begrenzt auf kleine Moleküle, die aus nicht mehr als fünf Atomen bestehen“, erläutert Julia Schäfer vom Center for Free-Electron Laser Science am DESY. „Mit unserer Arbeit haben wir diese Grenze beim Coulomb Explosion Imaging durch­brochen.“ Iodpyridin ist ein Molekül aus elf Atomen.

Aufnahmestudio für die explosiven Molekül­bilder ist die Experi­mentier­station SQS – Small Quantum Systems – am European XFEL. Hier lenken elektrische Felder in einem speziell für solche Unter­suchungen entwickelten COLTRIMS-Reaktions­mikroskop die Molekül­trümmer auf einen Detektor. Das an der Uni Frankfurt entwickelte Reaktions­mikroskop misst Einschlagort und Einschlags­zeitpunkt der Bruchstücke auf dem Detektor und rekonstruiert daraus ihren Impuls. „Aus dieser Information lassen sich Details über das Molekül gewinnen und mit Hilfe von Modellen der Ablauf von Reaktionen und Vorgängen rekonstruieren“, sagt DESY-Forscher Robin Santra, der den theoretischen Teil der Arbeit geleitet hat.

Das Coulomb Explosion Imaging eignet sich insbesondere auch dazu, sehr leichte Atome wie Wasserstoff in chemischen Reaktionen genau zu verfolgen. Die Technik ermöglicht detail­lierte Unter­suchungen einzelner Moleküle speziell in der Gasphase und ist damit eine weitere Methode zur Herstellung von Molekül­filmen, wie sie am European XFEL auch an anderen Experimentier­stationen entwickelt werden, beispiels­weise an Flüssig­keiten.

„Wir wollen fundamentale photo­chemische Prozesse im Detail verstehen. In der Gasphase gibt es keine Störungen durch andere Moleküle oder die Umgebung. Wir können daher mit unserer Technik einzelne, isolierte Moleküle unter­suchen“, sagt Jahnke. Und Boll ergänzt: „Wir arbeiten bereits daran, im nächsten Schritt Reaktions­abläufe zu unter­suchen und die Einzel­bilder zu einem echten Molekül­film zusammen­zu­fügen. Die ersten Versuche dazu haben wir bereits unter­nommen.“

European XFEL / RK

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