30.07.2019

Molekülrotation gefilmt

Ultraschnelle kohärente Rotation in vollem Umfang aufgenommen.

Mit Hilfe präzise abgestimmter Laserblitze haben Forscher die ultraschnelle Rotation eines Moleküls gefilmt. Der resultierende „Molekülfilm“ zeigt innerhalb von 125 Pikosekunden anderthalb Umdrehungen von Carbonylsulfid (OCS), einem stäbchenförmigen Molekül aus je einem Sauerstoff-, Kohlenstoff- und Schwefelatom, in hoher zeitlicher und räumlicher Detailgenauigkeit. Ein Team um DESY-Forscher Jochen Küpper vom Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) und Arnaud Rouzée vom Berliner Max-Born-Institut stellte diese Ergebnisse nun vor.
 

Abb.: Verschiedene Stadien der Molekülrotation, die sich nach rund 82...
Abb.: Verschiedene Stadien der Molekülrotation, die sich nach rund 82 Pikosekunden wiederholen. (Bild: E. Karamatskos, B. Liebaug, DESY)

„Es ist ein langgehegter Traum in der Molekülphysik, die ultraschnellen Bewegungen von Atomen in dynamischen Prozessen zu filmen“, erläutert Küpper, der auch Professor an der Universität Hamburg ist. Das ist jedoch nicht so einfach. Denn um Details im Reich der Moleküle erkennen zu können, benötigt man normalerweise energiereiche Strahlung mit einer Wellenlänge in der Größenordnung von Atomen. Küppers Team ging daher einen anderen Weg: Die Forscher nutzten zwei zeitlich genau aufeinander abgestimmte Infrarotlaserpulse mit einem Abstand von 38 Pikosekunden, um die Carbonylsulfid-Moleküle in schnelle und gleichzeitige (kohärente) Rotation zu versetzen. Mit einem weiteren, langwelligeren Laserpuls bestimmten die Wissenschaftler dann schrittweise die Lage der Moleküle nach jeweils rund 0,2 billionstel Sekunden. „Da dieser Diagnostik-Laserpuls die Moleküle sprengt, musste der Versuch für jeden Schnappschuss neu angestoßen werden“, berichtet Evangelos Karamatskos, Hauptautor der Studie vom CFEL.

Die Wissenschaftler nahmen insgesamt 651 Bilder auf, die anderthalb Rotationsperioden des Moleküls abdecken. Hintereinander montiert ergeben die Aufnahmen einen 125 Pikosekunden langen Film der Molekülrotation. Für eine volle Umdrehung benötigt das Carbonylsulfid-Molekül rund 82 Pikosekunden. „Allerdings darf man sich die Rotation nicht wie bei einem drehenden Stock vorstellen“, erläutert Küpper. „Wir betrachten hier Prozesse im Reich der Quantenmechanik. Danach verhalten sich sehr kleine Objekte wie Atome und Moleküle anders als alltägliche Objekte in unserer Umgebung. Die genaue Position und der Impuls eines Moleküls können nicht zugleich mit höchster Präzision bestimmt werden, sondern zu jedem Zeitpunkt nur eine bestimmte Aufenthaltswahrscheinlichkeit, mit der das Molekül an einem Ort anzutreffen ist.

„Die Besonderheiten der Quantenmechanik zeigen sich unter anderem in vielen Bildern des Films, auf denen das Molekül nicht in eine einzelne Richtung zeigt, sondern gleichzeitig – mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten – in verschiedene Richtungen. Genau diese Richtungen und Wahrscheinlichkeiten haben wir in dieser Untersuchung experimentell abgebildet“, fügt Rouzée hinzu. „Daraus, dass sich diese einzelnen Bilder nach ungefähr 82 Pikosekunden wiederholen, lässt sich auch ablesen, wie lange eine Rotationsperiode eines Carbonylsulfid-Moleküls dauert.“

Die verwendete Untersuchungsmethode lässt sich nach Auskunft der Forscher auch bei anderen Molekülen und Prozessen nutzen, beispielsweise bei der Torsion von Molekülen oder bei chiralen Verbindungen. „Wir haben als Pilotprojekt hier einen hochaufgelösten Molekülfilm von der ultraschnellen Rotation von Carbonylsulfid aufgenommen“, fasst Karamatskos zusammen. „Gemessen an der Detailgenauigkeit, die wir dabei zeigen konnten, ließen sich mit unserer Methode aufschlussreiche Filme der Dynamik anderer Prozesse und Moleküle aufnehmen.“
An der Studie waren neben DESY auch die Universität Hamburg, das Max-Born-Institut in Berlin und die Universität Aarhus in Dänemark beteiligt. 

DESY / DE
 

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