04.07.2017

Molekulare Diode jenseits des Landau-Limits

Neuartige Nanodiode nutzt elektrostatischen Effekt und zeigt bis­lang un­er­reichte Güte.

Die Nanoelektronik besitzt einige Tücken. Auf der einen Seite versprechen immer kleinere Schalt­kreise einen Zuwachs an Effi­zienz und Geschwin­dig­keit. Anderer­seits spielen in atomaren Dimen­sionen quanten­mecha­nische Effekte wie etwa der Tunnel­effekt eine immer größere Rolle, der für Leck­ströme sorgt und damit mög­liche Effi­zienz­gewinne wieder zunichte macht oder sogar Signal­ströme soweit ver­rauscht, dass sie unleser­lich werden. Ein essen­zielles elek­tro­nisches Bauteil ist die Diode, die Strom nur in einer Rich­tung durch­lässt. Bislang war die Güte winziger Nano­dioden aus den genannten Gründen aller­dings beschränkt. Wissen­schaftler aus Singapur weisen nun einen inte­res­santen Weg, diese Ein­schrän­kungen zu umgehen.

Abb.: Je nach angelegter Spannung treten die Dioden­moleküle in eine Coulomb- oder eine Van-der-Waals-Wechsel­wirkung. (Bild: A. Aviram & M. A. Ratner)

Eine gute Diode lässt möglichst viel Strom in eine Richtung durch – und nur in diese. Während in der Elektro­technik Halb­leiter­dioden eine sehr gute Gleich­richtungs­fähig­keit besitzen, sind Dioden im Nano­bereich auf­grund des Tunnel­effekts ziemlich limi­tiert. Nach der Landau-Gleichung, die den Strom­fluss bei kleinen Dimen­sionen und mit entspre­chenden Tunnel­strömen beschreibt, gibt es eine Grenze für das Ver­hältnis von reso­nantem Tunneln durch ein mole­ku­lares Orbital in der einen Richtung und dem nicht-reso­nanten Tunneln bei entgegen­gesetzter Spannung. Dieser Gleichung zufolge dürfte das Ver­hältnis des Strom­flusses zwischen „an“ und „aus“ bei einer typischen Nano­diode nur unge­fähr drei Größen­ord­nungen erreichen. Sehr viel besser lässt sich Strom auf klein­stem Raum nicht gleich­richten.

Die Forschergruppe unter Leitung von Christian Nijhuis an der Natio­nalen Univer­sität von Singapur hat dieses Limit mit Hilfe einer geschickt konstru­ierten Nano­diode nun weit über­boten. Der zentrale Teil der Diode besteht aus einer Molekül­kette aus zwei Ferro­cenyl-Gruppen am oberen und unteren Ende, die über zwei Kohlen­stoff­atome mitein­ander ver­bunden sind. Dieses Molekül ist über eine Kohlen­stoff­ver­bindung an die untere Elek­trode gekoppelt. Die obere Elek­trode der Diode befindet sich nur knapp drei Nano­meter darüber. Hier formen die Dioden­moleküle einen Van-der-Waals-Kontakt mit der Elektrode.

Der Clou an diesem Aufbau: Wenn die angelegte Spannung in die richtige Rich­tung weist, biegen sich die Dioden­moleküle ein Stück weit zur oberen Elek­trode, wodurch sich der Kontakt deut­lich verstärkt. In Gegen­richtung bleibt dieser elektro­statische Effekt aus, so dass kaum noch Strom fließen können. Auf diese Weise erreichen die Wissen­schaftler ein im Bereich der Nano­elek­tronik außer­gewöhn­lich hohes Ver­hältnis von 6 × 105 zwischen „an“ und „aus“.

Um diesen Effekt zu verifizieren, stellten die Forscher einerseits Berech­nungen zur Form der Mole­küle bei verschie­denen Dioden­span­nungen an, die die gemes­senen Werte bestä­tigen. Zur genau­eren Analyse plazierten die Wissen­schaftler die Diode dann noch­mals auf einer semi-trans­parenten Unter­lage. Hier zeigen sich ab einer gewissen Spannung Licht­punkte, die von ange­regten Ober­flächen­plasmonen der unteren Elek­trode her­rühren, sobald Elek­tronen von der oberen Elek­trode hindurch­tunneln können.

Abb.: Bei höherer Spannung nimmt die Anzahl der Kontakte zwischen den Mole­külen in der Diode und der Grenz­fläche zu. (Bild: A. Aviram & M. A. Ratner)

Die Lichtemission beginnt erst ab einer Spannung von ungefähr 2,4 Volt und nimmt dann stetig zu. Das spricht dafür, dass die Dioden­moleküle sich tat­säch­lich durch elek­tro­sta­tische Effekte zur oberen Elek­trode hin aus­richten. Liegt die Spannung einmal an, bleiben die Licht­punkte auch orts­fest und wandern nicht im Material. Es gelang den Wissen­schaftlern jedoch nicht zu bestimmen, ob die Licht­punkte jeweils von einzelnen Mole­külen stammen oder von einem ganzen Bündel von Mole­külen, die sich gemein­sam aufge­richtet haben.

Die neuen Dioden besitzen etwa im Vergleich zu mikro­elektro­mecha­nischen Schaltern den Vor­teil, schon bei sehr geringen Spannungen unter­halb von drei Volt zu funktio­nieren. Das ist ent­scheidend für den Bau energie­effi­zienter Schal­tungen. Die Forscher gehen auch davon aus, dass sich dieser Wert durch geschicktes Design der Dioden­moleküle noch ein gutes Stück weit ver­bes­sern lassen sollte. Auch an einigen anderen Stellen besteht noch die Möglich­keit zur Opti­mierung. So wäre es etwa wünschens­wert, einen noch stärkeren Kontakt zwischen den Dioden­molekülen und der oberen Elek­trode herzu­stellen.

Dank der geschickten Bauweise könnten sich in Zukunft Nano­schaltungen reali­sieren lassen, die eine Reihe wünschens­werter Eigen­schaften auf­weisen. So könnten sowohl hoch­effi­ziente als auch ultra­schnelle elek­tro­nische Schalt­kreise möglich werden. Wie gut diese letzt­lich funktio­nieren und ob sie sich in der Elek­tronik­industrie durch­setzen werden, wird aber insbe­sondere davon abhängen, welche Arten maß­geschnei­derter Mole­­­külen von ihren elek­tro­nischen und elek­tro­sta­tischen Eigen­schaften her infrage kommen und wie gut sich diese in elek­tro­statisch ver­stärkten Nano­dioden inte­grieren lassen.

Dirk Eidemüller

RK

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