31.08.2022

Molekularer Motor aufgeschlüsselt

Funktionsweise der synchronisierten DNA-Bewegung bei der Rekombination analysiert.

Molekulare Motoren sind komplexe Mikro­maschinen, die in biologischen Zellen zahlreiche mechanische Aktionen ausführen. Um die Arbeits­weise dieser Winzlinge zu verstehen, muss man ihre genaue Struktur erkunden. Ein Forschungs­team um Thomas C. Marlovits vom Zentrum für Strukturelle System­biologie (CSSB) bei DESY hat nun die Architektur, den kompletten Funktions­zyklus und den Wirk­mechanismus eines solchen molekularen Motors aufgeklärt. Das Team hat heraus­gefunden, wie der RuvAB Branch Migration Complex chemische Energie in mechanische Arbeit umwandelt, um die Rekombination und Reparatur des Erbgut­strangs der DNA durchzuführen.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung der Holliday Junction mit den molekularen...
Abb.: Künstlerische Darstellung der Holliday Junction mit den molekularen RuvB-Motoren (Bild: CSSB, N. Graf)

Die DNA-Rekombination ist einer der grundlegenden biologischen Prozesse in lebenden Organismen. Dabei tauschen Chromosomen Erbgut aus, um entweder genetische Vielfalt zu erzeugen, indem neue Nachkommen entstehen, oder um die genetische Integrität zu erhalten, indem Brüche in bestehenden Chromosomen repariert werden.

Bei der DNA-Rekombination trennen sich zwei DNA-Doppelstränge in ihre vier einzelnen Arme und verbinden sich über Kreuz neu. Die Kreuzung, an der das geschieht, heißt Holliday Junction. Die für diesen Prozess nötige Energie stammt von einer molekularen Maschine, die als RuvAB Branch Migration Complex bezeichnet wird. Er verteilt sich um die Holliday Junction herum und besteht aus zwei Motoren mit der Bezeichnung RuvB-AAA+-ATPasen, die den Erbgut­austausch vorantreiben, und einem RuvA-Stator. Das Forschungs­team hat nun den komplexen Bauplan vorgelegt, der erklärt, wie die RuvB-AAA+-Motoren unter der Kontrolle des RuvA-Proteins arbeiten, um eine synchronisierte DNA-Bewegung durchzuführen.

Die durch den RuvB-AAA+-Motor angeregten aktiven Verzweigungs­bewegungen sind sehr schnell und hochdynamisch. Um die einzelnen Schritte dieses Prozesses zu bestimmen, beobachteten die Wissenschaftler den Motor mit Hilfe der zeitaufgelösten Kryo-Elektronen­mikroskopie in Zeitlupe. „Wir haben dem RuvB-AAA+-Motor im Prinzip einfach einen langsamer verbrennenden Treibstoff zur Verfügung gestellt, der es uns ermöglicht, die biochemischen Reaktionen während ihres Ablaufs zu erfassen“, erläutert Marlovits, der Professor am Universitäts­klinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Wissenschaftler bei DESY ist.

Das Team hat mehr als zehn Millionen Bilder von der Interaktion des Motors mit der Holliday Junction aufgenommen. Mit Hilfe von Hochleistungs­rechnern bei DESY konnten das Team alle Puzzleteile zusammenfügen und einen hoch­auflösenden Film erstellen, der zeigt, wie der RuvAB-Komplex funktioniert.

„Wir konnten sieben verschiedene Zustände des Motors sichtbar machen und zeigen, wie die miteinander verbundenen Elemente zyklisch zusammenarbeiten“, berichtet Hauptautor Jiri Wald (UKE und Teilnehmer des Doktoranden­programms am Vienna BioCenter), der die riesigen Datenmengen durchforstet hat. „Wir haben auch gezeigt, dass der RuvB-Motor Energie in eine Hebelbewegung umwandelt, deren Kraft die Wanderung der Arme antreibt. Es ist faszinierend, dass diese Motoren einen einfachen Hebelmechanismus nutzen, um das DNA-Substrat zu bewegen. Zusammen­genommen ähnelt der RuvAB-Motor mit seinem sequenziellen Mechanismus, der Koordination und der Art der Kraft­erzeugung konzeptionell dem Verbrennungs­motor."

AAA+-Motoren kommen auch in anderen biologischen Systemen wie dem Proteintransport häufig zum Einsatz. Daher kann das neue, detaillierte Modell des RuvB-AAA+-Motors als Blaupause für ähnliche molekulare Motoren dienen. „Wir verstehen, wie der Motor funktioniert und können ihn nun mit einigen kleinen Anpassungen in ein anderes System einbauen“, erklärt Marlovits. „Wir präsentieren im Wesentlichen die Grund­prinzipien für AAA+-Motoren.“

Künftig will die Marlovits-Gruppe Wege erforschen, in die Funktion der AAA+-Motoren einzugreifen. Dies könnte einmal die Grundlage für die Entwicklung einer neuen Generation von Medikamenten bilden, die solche Motoren in Krankheits­erregern stören und damit die Ausbreitung der Infektion stoppen. „Wir werden mit Spannung die Möglichkeiten erkunden, die sich aus dem Bauplan des RuvB-AAA+-Motors ergeben“, sagt Wald. An der Arbeit waren das CSSB, das UKE, das Institut für molekulare Biotechnologie in Wien, das Forschungs­institut für molekulare Pathologie in Wien und DESY beteiligt.

DESY / DE

 

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