11.04.2024

Molekularer Selbstbau

Form von Komponenten ist wesentlich, wie schnell und effizient sich komplexe Strukturen selbst zusammenbauen.

Komplexe Systeme in der Natur und ihre künstlichen Analoga in der Technik bestehen aus einer Vielzahl kleiner Bauteile, die sich mithilfe molekularer Wechselwirkungen autonom zusammenfügen. Ein besseres Verständnis der Prinzipien und Mechanismen dieser Selbstmontage und Selbstorganisation – des Self-Assembly – ist wichtig für die Entwicklung neuer Anwendungen, beispielsweise in der Nanotechnologie oder der Medizin.


Abb.: Erwin Frey
Abb.: Erwin Frey
Quelle: B. Asher / LMU

An der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben Erwin Frey, Inhaber des Lehrstuhls für Statistische und Biologische Physik und Mitglied im Exzellenzcluster ORIGINS, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Florian Gartner nun einen bislang wenig beachteten Aspekt des Self-Assembly untersucht: Welche Rolle spielen die Form beziehungsweise der Anzahl möglicher Bindungen der Teilchen? Nach den Ergebnissen der Forscher ist eine hexagonale Morphologie – also eine sechseckige Struktur – beziehungsweise ein Molekül mit sechs möglichen Bindungen ideal für das Self-Assembly.

Als wir ein allgemeines Modell der Selbstmontage untersuchten, haben wir beobachtet, dass die Montagezeit mit der Größe der Zielstruktur zusammenhing“, erzählt Gartner. „Dies brachte uns auf den Gedanken, dass die Form der Teilchen einen erheblichen Einfluss darauf haben könnte, wie schnell die nötige Montagezeit mit der Größe der Zielstruktur ansteigt und damit wie effizient die Selbstorganisationsprozesse sein können.“

Daraufhin entwickelten die Wissenschaftler ein mathematisches Modell, um das Verhalten des Systems während der Montage näher zu untersuchen. Ihre Ergebnisse beweisen, dass die Morphologie der Bausteine tatsächlich eine wichtige Rolle spielt. Indem sie unter anderem die Skalierung und Kinetik der Systeme einberechneten, konnten Frey und Gartner zeigen, dass sechseckige Formen wesentliche Vorteile für die Selbstmontage bieten: Der Zusammenbau von Strukturen, die aus tausend Bausteinen bestehen, kann mit sechseckigen Bausteinen (Hexagonen) um fast vier Größenordnungen schneller ablaufen sein als mit dreieckigen Bausteinen.

Dieses Hexagon-Prinzip gilt ganz allgemein für die Morphologie, die nicht nur die Form der Teilchen beschreibt: Sechs mögliche Bindungen zu benachbarten Teilchen erweisen sich als ideal beim Aufbau größerer Strukturen. Das können kovalente Bindungen, Wasserstoffbrückenbindungen, Van-der-Waals-Kräfte oder hydrophobe Wechselwirkungen sein.


Auch in der Natur gibt es Entsprechungen für dieses Muster, etwa beim Selbstzusammenbau der Kapside von Viren. Dieser Prozess beginnt mit dem Zusammenbau kleiner, dreieckiger Teile zu Hexagonen, die sich dann im Folgenden gemeinsam mit einigen Pentagonen zu den ikosaedrischen Strukturen der Viren-Kapside zusammenlagern.

Aus den Ergebnissen der Studie folgen nach Ansicht der Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse für die Nanotechnologie: Kleine Strukturen, aus denen per Selbstorganisation größere Strukturen entstehen, könnten auf das Hexagon-Prinzip hin optimiert werden – hinsichtlich der Form der Bausteine oder auch hinsichtlich der Möglichkeit von Bindungen und Nachbarschaftsbeziehungen zu anderen Teilchen. Durch „hierarchisches Self-Assembly“ könnte man beispielsweise bewirken, dass sich in einem ersten Bauschritt Teilchen mit einer besonders günstigen Morphologie (wie Hexagone) bilden, um so die Effizienz des gesamten Montageprozesses zu steigern. 

Wenn man versteht, welche Morphologien der Monomere zu einer effizienten Selbstmontage führen, kann man diese Formen gezielt auswählen und Formen vermeiden, die sich zeitlich ineffizient zusammenlagern“, erklärt Gartner, „ein Anwendungsbeispiel für diese Strategie könnte etwa die Synthese künstlicher Virus-Kapside für biomedizinische Anwendungen sein.“

LMU / DE


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