Mond-Konferenz in Berlin
170 internationale Experten diskutieren über Gegenwart und Zukunft der Mondforschung.
Prof. Ralf Jaumann, Leiter der Abteilung Planetengeologie des DLR-Instituts für Planetenforschung, erklärt die Hintergründe zu dem europäischen Spitzentreffen der Selenologen:
In den vergangenen drei Jahren hat sich in der Mondforschung Wesentliches getan. Seit den beiden Missionen Chandrayaan-1, der ersten indischen Mondmission im Jahre 2008, und Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) der NASA , die 2009 gestartet ist, ist unser Bild vom Mond komplett auf den Kopf gestellt worden. Bis dahin dachten wir, der Erdtrabant sei extrem trocken, doch jetzt gehen wir davon aus, dass es auf dem Mond Wasser gibt. Wenngleich wenig, ist dies doch eine Sensation. Wir haben Wasser in den so genannten Kältefallen am Südpol gefunden. Das sind sehr tiefe Einschlagskrater, in die nie Licht und damit auch keine Wärme hineingelangt. Zudem kann Wasser auch auf der Mondoberfläche als Reaktion der Wasserstoffprotonen des Sonnenwinds mit dem Sauerstoff des Mondgesteins entstehen, und – dank moderner Untersuchungsmethoden – wurde auch Wasser in den von den Apollo-Missionen zur Erde gebrachten Gesteinsproben gefunden. Damit ist die Theorie eines ‚trockenen’ Mondes nicht mehr haltbar. Dies wirft aber neue Fragen zur Entstehung des Himmelskörpers auf. Die besondere Faszination des Mondes liegt für mich auch darin, dass er das einzige astronomische Objekt ist, das wir mit bloßem Auge beobachten können und das unser Leben, zum Beispiel mit dem Monatskalender und Ebbe und Flut direkt beeinflusst.
Abb.: Die japanische Mondsonde Kaguya (SELENE) nahm den Zentralberg des Kraters Tycho in faszinierender Detailtreue auf. (Bild: JAXA)
Wir tauschen uns im europäischen und internationalen Rahmen darüber aus, wo die Wissenschaft steht und was die vielen neuen Aspekte für die künftige Mondforschung bedeuten. Als Trabant spielt der Mond für die Erde selbst eine sehr große Rolle, er stabilisiert zum Beispiel die Erdachse. Des weiteren wissen wir, dass man relativ leicht zum Mond kommen kann. Das ist wissenschaftlich, aber auch technologisch betrachtet, eine sehr spannende und reizvolle Herausforderung. Zudem ist der Mond unheimlich alt, und seine Oberfläche zeigt Spuren, die fast bis zur Entstehung des Sonnensystems zurückreichen. Eine weitere Aufgabe ist es zu dokumentieren, wie der Mond heute aussieht, denn ich bin sicher: In 100 Jahren wird er nicht mehr so aussehen wie die letzten vier Milliarden Jahre.
Für die Erkundung des Mondes brauchen wir ja nicht nur ein Raumschiff, sondern müssen auch imstande sein, eine Landung in schwierigem Gelände und autonome Fortbewegung inklusive der notwendigen Energieversorgung zu realisieren. So haben wir auf dem Mond eine sehr lange Nacht von 14 Tagen. Wir müssen also nicht nur Energiespeichertechniken entwickeln, die in dieser unwirtlichen Umgebung funktionieren, sondern auch die entsprechenden Materialien.
Heute ist es wichtiger denn je, mit vertretbaren Kosten wissenschaftlich zu arbeiten. Wir müssen uns fragen, was die Herausforderungen nach der Internationalen Raumstation ISS sind. Der Mond ist für mich als Mondforscher der nächste logische Schritt bei der intensiven Erforschung der Erdumgebung. Man ist in nur zwei Tagen dort. Wenn wir wirklich wieder eine bemannte Mond-Mission verwirklichen wollen, vielleicht sogar einen längeren Aufenthalt, müssen wir mehr vom Mond verstehen. Insbesondere die Wasserfrage ist und bleibt eine ganz entscheidende. Die von der ESA geplante Lunar-Lander-Mission für 2018 soll am Südpol des Mondes landen. Das wäre aus meiner Sicht ein wichtiger wissenschaftlicher Schritt. Der Mond ist ein sehr gutes Testfeld für Weltraumtechnologien und für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung. Vor allem auch, um Fragen des Werdegangs der jungen Erde, und damit der Entwicklung von Leben auf unserem Planeten, zu beantworten.
Auszüge eines Interviews von E. Mittelbach, DLR