Motoneuronen mit Magnetfeldern reaktivieren
Neuer Therapieansatz zur Heilung neurodegenerativer Erkrankungen zeigt erste interessante Ergebnisse.
Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unheilbare Erkrankung der Motoneuronen, die in der Regel innerhalb von zwei bis fünf Jahren zum Tod führt. Bisher gibt es keine erfolgreiche Therapie. Thomas Herrmannsdörfer, Abteilungsleiter am Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) des HZDR, arbeitet hierzu eng mit dem Mediziner Richard Funk zusammen. Gemeinsam mit Kollegen der Universitäten in Dresden und Rostock haben sie ein Forschungsteam aus den Bereichen Physik, Medizin, Biologie und Biotechnologie zusammengestellt, um die therapeutische Wirkung von Magnetfeldern auf gestörte Motoneuronen zu untersuchen. Seitens HZDR war neben dem HLD das Zentrum für Radiopharmazeutische Tumorforschung (ZRT) am Projekt beteiligt.
In einem ersten Schritt haben Zellbiologen Hautzellen sowohl von Gesunden als auch von ALS-Patienten zu Motoneuronen umprogrammiert. Motoneuronen verfügen über bis zu einem Meter lange Fortsätze (Axone), über die der Stofftransport und die Informationsübertragung erfolgt. Die so präparierten Motoneuronen wurden in einem weiteren Schritt von Forschern um Arun Pal (HZDR) in Petrischalen über unterschiedliche Zeiträume verschieden starken Magnetfeldern ausgesetzt.
Auch weitere Parameter der Magnetfelder wie Frequenz, Ausrichtung und Wellenform wurden variiert. „In den zahlreichen Versuchsreihen konnten wir zeigen, dass die Motoneuronen von ALS-Patienten auf die Magnetfelder ansprechen“, fasst Pal die Ergebnisse zusammen. „Der bei ALS-Zellen gestörte axonale Transport der Mitochondrien, welche die Kraftwerke der Zelle sind, und anderer Organellen wird durch die Stimulation mit Magnetfeldern reaktiviert. Außerdem kann die axonale Regeneration – also die Fähigkeit, wieder zu wachsen und sich zu vernetzen - wiederhergestellt werden.“ Untersucht wurde mittels Live-Cell-Imaging und zellbiologischer Methoden. Gleichzeitig konnte das Team zeigen, dass gesunde Zellen durch die Stimulierung nicht geschädigt werden.
Für Herrmannsdörfer und sein Team sind die vorliegenden Ergebnisse zwar ein Meilenstein, trotzdem relativiert er: „Wir verstehen diese In-vitro-Ergebnisse als ermutigenden Ansatz auf dem Weg zu einer möglichen Therapie bei ALS und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Wir wissen aber auch, dass es detaillierte Folgestudien braucht, um unsere Ergebnisse zu untermauern.“
In einem nächsten Schritt planen die Wissenschaftler nun Langzeit- und In-vivo-Studien, um das therapeutische Potenzial von Magnetfeldbehandlungen weiter auszubauen. Diese beinhalten unter anderem die Untersuchung der optimalen technischen Parameter des angelegten Magnetfeldes. Daneben wollen sie das Verständnis der zellulären Reaktion auf die verschiedenen magnetischen Stimuli vertiefen und damit auch die zugrunde liegenden Mechanismen besser verstehen. Dabei werden sie auch untersuchen, wie Zellveränderungen anderer neurodegenerativer Erkrankungen wie beispielsweise Parkinson, Chorea Huntington und Alzheimer auf die Stimulation mit Magnetfeldern reagieren. Langfristig planen die Wissenschaftler klinische Pilotstudien mit speziellen Geräten für Magnetstimulationen.
HZDR / DE
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
W. Kandhavivorn et al.: Restoring Axonal Organelle Motility and Regeneration in Cultured FUS-ALS Motoneurons through Magnetic Field Stimulation Suggests an Alternative Therapeutic Approach, Cells 12, 1502 (2023); DOI: 10.3390/cells12111502 - Projekt ThaXonian – Magnetic Axon Therapy, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf