MOTReMi – ein innovativer Weg zur Erforschung atomarer Kollisionen
Die Kombination von magneto-optischer Falle und Reaktionsmikroskop ermöglicht neue Einsichten.
Eine Forschergruppe am MPI für Kernphysik hat erstmals erfolgreich eine magneto-optische Falle mit einem Reaktionsmikroskop kombiniert und in den Ionenspeicherring des Instituts integriert. Mit dem neu entwickelten Instrument lassen sich Reaktionen zwischen Ionen und Atomen in unübertroffener Genauigkeit und Auflösung studieren. Dies zeigen erste Stoßexperimente, bei denen Sauerstoffkerne auf lasergekühlte Lithiumatome geschossen wurden.
Abb.: Stoßquerschnitt der Ionisation von Lithiumatomen im Stoß mit Sauerstoffkernen in Abhängigkeit von der beim Stoß übertragenen Energie und dem Streuwinkel des Projektils. Die Zahl der Ereignisse (vgl. Kurve unten) nimmt von blau nach rot zu. (Bild: MPIK)
Stöße von Ionen mit Atomen eröffnen einen Zugang zu Quantensystemen, die aus wenigen miteinander wechselwirkenden Teilchen bestehen. Solche fundamentalen Systeme sind auch heute noch eine Herausforderung für quantenmechanische Berechnungen. Mit der Entwicklung des Reaktionsmikroskops wurde es möglich, die Dynamik von Ion-Atom-Stößen unter die Lupe zu nehmen. Für möglichst genaue Messungen muss das Target kalt sein, dies zu realisieren geschieht konventionell durch einen expandierenden Überschall-Gasstrahl. Bevorzugtes Target ist daher Helium; für Alkalimetalle wie Lithium ist diese Technik nicht geeignet. Deutlich tiefere Temperaturen und damit eine höhere Auflösung sind im Prinzip mit Laserkühlung zugänglich. Frühere Versuche waren jedoch nur teilweise erfolgreich.
Die neue Apparatur, MOTReMi genannt, kombiniert ein Reaktionsmikroskop (ReMi) mit einer magneto-optischen Falle (MOT) und ist in den Ionenspeicherring TSR des Max-Planck-Instituts für Kernphysik eingebaut. In einer MOT lassen sich Atome durch drei senkrecht zueinander angeordnete Paare von gegenläufigen Laserstrahlen kühlen und durch ein Magnetfeld einfangen. Beschießt man Atome mit einem Ionenstrahl, verlieren sie ein oder mehrere Elektronen. Ein Reaktionsmikroskop lenkt die Ionen und Elektronen mittels elektrischer und magnetischer Felder auf großflächige orts- und zeitempfindliche Detektoren. So können die Forscher die Flugbahnen der Teilchen rekonstruieren und daraus ihre Impulsvektoren ableiten. Ein kinematisch vollständiges Experiment liegt vor, wenn dabei die Impulse aller beteiligten Teilchen bestimmt wurden. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Felder erscheinen diese beiden Techniken – MOT und ReMi – auf den ersten Blick jedoch unvereinbar.
Abb.: Aufbau des MOTReMi: In der Mitte befindet sich die magneto-optische Falle mit ihren Magnetspulen und den 3 Paaren von Kühl-Laserstrahlen. Rechts und links davon: die Ringelektroden für das elektrische Feld, die Detektoren und die Helmholtzspulen des Reaktionsmikroskops. Die Anordnung ist gegen den Projektilstrahl im Speicherring geneigt. Rot bzw. grün sind die Flugbahnen der Lithiumionen und Elektronen. (Bild: MPIK)
Mit einigen Tricks gelang es den Physikern um Daniel Fischer aber, MOT und ReMi doch unter einen Hut zu bringen. So verwenden sie für die MOT besonders kleine Magnetspulen, die zudem koaxial zum ReMi angeordnet sind – anders als bei früheren Experimenten. Kompensationsspulen begrenzen das Magnetfeld auf den inneren Fallenbereich. So lässt sich das Magnetfeld schnell ab- und wieder anschalten, ohne dass die gefangenen Atome aus der Falle entkommen. In diesem Zeitraum erfolgen die nun ungestörten Messungen mit dem ReMi. Damit die Laserkühlung auch bei abgeschaltetem Magnetfeld funktioniert, setzt man eine spezielle Polarisation der Kühl-Laserstrahlen entlang der Achse des ReMi ein.
Der TSR mit seinem Elektronenkühler kann kalte Ionenstrahlen mit hoher Intensität erzeugen. Darüber hinaus weisen diese Strahlen eine große Kohärenzlänge auf, eine Eigenschaft, die für den Vergleich der experimentellen Daten mit quantenmechanischen Modellen entscheidend sein kann.
In ersten Experimenten mit dem neuen Instrument hat die Gruppe um Daniel Fischer Lithiumatome in der MOT gefangen und mit Sauerstoffkernen beschossen. Mit ihren 3 Elektronen (2 fest gebundene innere und 1 Valenzelektron) lassen sich Lithiumatome quantentheoretisch in guter Näherung als Ein-Elektronen-Systeme behandeln. Gleichzeitig ist ihre Elektronenstruktur komplexer als die von Helium, dessen 2 fest gebundene „gleichberechtigte“ Elektronen aber schwierig zu berechnen sind. Dies macht Lithiumatome zu interessanten Targets für Stoßexperimente. Die Ionisation der Lithiumatome kann in diesen Stößen auf zwei verschiedenen Reaktionswegen erfolgen: der erste ist die direkte Abgabe des Valenzelektrons, im anderen Prozess wird gleichzeitig eines der inneren Elektronen auf ein höheres Energieniveau angehoben. Durch die sehr niedrige Target-Temperatur im MOTReMi zeigen sich diese beiden Prozesse nun zum ersten Mal klar getrennt in den Daten, so dass sich neue Einblicke in ihre Dynamik ergeben.
MPIK / VK