14.04.2021 • Astrophysik

Multifrequenz-Beobachtungen des Galaxienzentrums von M87

Neue Ergebnisse der EHT-Kollaboration liefern beispiellosen Einblick in die Umgebung des supermassereichen schwarze Lochs.

Im April 2019 veröffentlichten Forscher das erste Bild eines schwarzen Lochs mit dem Event Horizon Telescope EHT aufgenommen wurde. Jetzt veröffentlicht die EHT-Kolla­bo­ration gemeinsam mit zahlreichen weiteren Instituten neue Ergebnisse, die einmalige Einblicke in die Umgebung des super­masse­reichen schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie M87 versprechen und außerdem Über­prüfungen von Einsteins Allgemeiner Relativitäts­theorie verbessern werden.

Abb.: Aufnahmen des Galaxien­zentrums von M87 mit den ver­schie­denen...
Abb.: Aufnahmen des Galaxien­zentrums von M87 mit den ver­schie­denen be­teilig­ten Instru­menten. (Bild: EHT / NASA / ESA)

Die gewaltige Gravitation eines super­masse­reichen schwarzen Lochs akkretiert nicht nur Materie, sondern treibt auch einen energie­reichen Materie­ausfluss oder Jet an, der Teilchen mit nahezu Licht­geschwindig­keit über riesige Entfernungen bewegt. Der Jet von M87 erzeugt Strahlung über das gesamte elektro­magnetische Spektrum, von Radio­wellen bis hin zu Gamma­strahlen. Das Muster dieser Strahlung ist bei jedem schwarzen Loch anders und gibt entscheidende Einblicke in die Eigen­schaften eines schwarzen Lochs. Es ist aber auch eine Heraus­forderung für die Forscher, weil sich dieses Muster mit der Zeit verändert.

Während der EHT-Beobachtungen von M87 kompen­sierten die Wissen­schaftler solche Schwankungen, indem sie die Beobach­tungen mit vielen der weltweit leistungs­stärksten Teleskope am Boden und im Weltraum koordi­nierten und Strahlung über das gesamte elektro­magnetische Spektrum erfassten. Es ist die umfang­reichste simultane Beobachtungs­kampagne, die jemals für ein super­masse­reiches schwarzes Loch mit Jets durch­geführt wurde. „Dieser einzig­artige Datensatz ist entscheidend für unser Verständnis der physika­lischen Bedingungen in der unmittel­baren Umgebung eines der masse­reichsten schwarzen Löcher in unserer kosmischen Nachbar­schaft“, sagt Stefanie Komossa vom MPI für Radio­astronomie in Bonn, Team­mitglied bei den unter­stützenden Multi-Wellenlängen-Beobachtungen des EHT. Mit einer Veröffent­lichung in der Fach­zeit­schrift „Astro­physical Journal Letters“ geben die Wissen­schaftler heute den riesigen Datensatz im Rahmen der neuen Unter­suchung frei. Damit kann jeder interes­sierte Forscher die Daten selbst analysieren und für seine eigenen Studien nutzen.

„Die Kombination von VLBI-Daten aus dem Radio-Milli­meter-Band mit zeitnah durch­ge­führten Messungen bei anderen Wellen­längen wie Nahinfrarot, im optischen, Röntgen- und Gamma­strahlung bietet ein großartiges Daten­reservoir für ein detail­liertes Bild der physika­lischen Prozesse, die in der Nähe des schwarzen Lochs und in der Start­region des Jets ablaufen“, ergänzt Thomas Krichbaum vom MPI für Radio­astronomie, Mitglied des EHT-Wissen­schafts­rats. Die Daten wurden von einem Team von 760 Wissen­schaftlern und Ingenieuren aus fast zwei­hundert Institu­tionen und 32 Ländern oder Regionen mit von Agenturen und Institu­tionen rund um den Globus finanzierten Teleskopen von 19 Observatorien in einem Zeitraum von Ende März bis Mitte April 2017 aufgenommen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Menge an elektro­magnetischer Strahlung, die durch die Materie um das super­masse­reiche schwarze Loch von M87 erzeugt wurde, die geringste war, die jemals beobachtet wurde. Dadurch boten sich ideale Bedingungen für die Unter­suchung des schwarzen Lochs, von Regionen nahe dem Ereignis­horizont bis hin zu Zehn­tausenden von Licht­jahren Abstand. Die Verbindung der bereits erhaltenen Teleskop­daten mit den aktuellen und zukünftigen EHT-Beobachtungen wird es den Wissen­schaftlern ermöglichen, wichtige Unter­suchungen in einigen der bedeutendsten und anspruchs­vollsten Bereiche der Astrophysik durch­zu­führen.  Zum Beispiel planen die Forscher, diese Daten zu nutzen, um die Tests von Einsteins Allgemeiner Relativitäts­theorie zu verbessern. Eine große Hürde bei der Anwendung solcher Tests auf M87 liegen derzeit in Unsicher­heiten über das Material, das um das schwarze Loch rotiert und in Jets abgestrahlt wird, und insbesondere in den Eigen­schaften, die das emittierte Licht bestimmen.

„Das Verständnis der Teilchen­beschleunigung ist zentral für unser Verständnis sowohl des EHT-Bildes als auch der Jets, in all ihren Eigen­schaften“, sagt Team-Mitglied Sera Markoff von der Universität Amsterdam. „Diese Jets schaffen es, die vom schwarzen Loch freige­setzte Energie auf Skalen zu trans­portieren, die größer sind als die Wirtsgalaxie. Die erhaltenen Ergebnisse werden uns helfen, die Menge der trans­por­tierten Energie zu berechnen und den Effekt, den die Jets des schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausüben.“

Die Veröffentlichung dieser neuen Daten fällt mit dem aktuellen EHT-Beobachtungs­lauf im Jahr 2021 zusammen, bei dem wiederum ein weltweites Netzwerk von Teleskopen zum Einsatz kommt – es ist der erste seit dem Jahr 2018. Noch in dieser Woche nehmen die EHT-Astronomen sechs Nächte lang M87 sowie Sgr A*, das super­masse­reiche schwarze Loch im Zentrum unserer Milch­straße, und mehrere noch weiter entfernte schwarze Löcher ins Visier.

MPIfR / RK

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