25.04.2018

Musterbildung ohne Kompromisse

Konformationsänderung spielt wichtige Rolle bei Steuerung der Zellteilung.

Viele lebenswichtige Prozesse werden mithilfe biologischer Muster gesteuert. Bei der Zell­teilung etwa legt die Verteilung bestimmter Proteine fest, an welcher Stelle die Mutter­zelle abgeschnürt wird. Damit das Über­leben der Zelle gesichert ist, müssen diese Prozesse auch bei Störungen – etwa durch schwankende Protein­konzentrationen – sehr stabil ablaufen. Welche Mechanismen diese Stabilität sicher­stellen, haben nun Physiker der Ludwig-Maximilians-Universität München um Erwin Frey in Kooperation mit Petra Schwille vom Max-Planck-Institut für Biochemie, München, untersucht.

Abb.: Schema der beiden miteinander wechselwirkenden MinDE-Proteinschalter (Bild: J. Denk et al.)

Ein wichtiges Modell für die biologische Musterbildung ist das Min-System, mit dem das stäbchen­förmige Bakterium Escherichia coli fest­legt, an welcher Stelle die Zelle geteilt wird. Die Min-Proteine pendeln dabei zwischen den beiden Enden der Zelle hin und her und erzeugen ein Protein­muster, das die Teilung in der Nähe der Zell­pole verhindert, aber nicht in der Mitte der Zelle. Angetrieben wird der Pendel­verkehr durch ein komplexes Zusammen­spiel der Proteine MinD und MinE: MinE aktiviert an die Zell­membran gebundenes MinD, das sich daraufhin löst und durch die Zelle diffundiert, bis es erneut bindet.

„Bisherige mathematische Modelle haben immer ergeben, dass der Pendel­verkehr nur funktioniert, wenn weniger MinE als MinD vorhanden ist“, sagt Jonas Denk, Doktorand in Freys Team. Reale Zellen enthalten allerdings normaler­weise etwa gleich viel MinE und MinD, und experimentelle Studien zeigten, dass die Muster­bildung sogar dann noch gelingt, wenn die MinE-Konzentration deutlich erhöht wird.

Diesen scheinbaren Widerspruch konnten die Wissenschaftler nun auflösen, indem sie eine Konformations­änderung von MinE in ihr Modell einbezogen: Aus früheren Unter­suchungen war bereits bekannt, dass MinE in zwei Formen vorkommt, einer offenen und einer geschlossenen. Die geschlossene Form von MinE hat nur eine sehr geringe Affinität zu MinD und bindet deswegen nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit. Ist MinE allerdings erst einmal an MinD gebunden, wechselt es in die offene Form, die hoch­affin an MinD bindet. Dabei wird es aktiviert und löst sowohl sich selbst als auch MinD von der Membran.

Die Wissenschaftler schlagen vor, dass das aktivierte MinE danach noch für kurze Zeit seine offene Form behält und somit direkt zum nächsten membran­gebundenen MinD „springen“ kann – trifft es nicht schnell genug auf einen Reaktions­partner, wechselt es aber wieder in die geschlossene Form. „Dieses Umschalten zwischen den beiden Konformationen ist entscheidend für die Robust­heit der Muster­bildung und macht das System selbst gegenüber stark erhöhten MinE-Konzentrationen unempfindlich, wie unsere Simulationen zeigten“, sagt Frey. In-vitro-Experimente von Simon Kretschmer aus Schwilles Team bestätigten diese Ergebnisse.

Das neue Modell ermöglicht über das Min-System hinaus grund­legend neue Einsichten in die Mechanismen, mit denen die Zelle die biologische Muster­bildung reguliert. Die Robust­heit gegenüber Konzentrations­änderungen von Proteinen könnte nach Ansicht der Wissenschaftler auch in evolutiver Hinsicht vorteilhaft sein, denn sie eröffnet der Zelle mehr Flexibilität: Durch mehr Spiel­raum bei der Regulation von Protein­mustern, bleiben lebens­wichtige Prozesse auch unter veränderten Bedingungen stabil.

LMU / DE

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