Nachrichten aus dem jungen Universum
Die ersten Sterne waren weniger massereich als gedacht, und schwere Elemente haben sich ungleichmäßig im Kosmos verteilt.
Die Entstehung der ersten Sterne im Universum ist ein wenig anders verlaufen, als bislang in den theoretischen Modellen der Astrophysiker angenommen. Das zeigen numerische Simulationen der Entstehung eines primordialen Sterns sowie die Entdeckung zweier Gaswolken aus primordialer Materie bei einer Rotverschiebung von 3, entsprechend einem Weltalter von rund zwei Milliarden Jahren.
Abb.: Dreidimensionale Darstellung der Gas-Verteilung um einen primordialen Protostern aus der Simulation von Hosokawa und seinem Team. Die Konturlinien repräsentieren die Dichte, die Farben die Temperatur des Gases. (Bild: JPL/Caltech)
Beim Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren sind nur die drei leichtesten chemischen Elemente entstanden: Wasserstoff, Helium und eine geringe Menge an Lithium. Alle schwereren Elemente - von den Astronomen zumeist unter dem etwas irreführenden Begriff "Metalle" subsummiert - sind erst durch Kernfusion im Inneren von Sternen entstanden. Sternwinde und Supernova-Explosionen haben diese Elemente dann im Weltall verteilt und dafür gesorgt, dass die zweite und dritte Sternengeneration im Kosmos sukzessive reicher an schweren Elementen war.
Beobachtungen von Michele Fumagalli von der University of California in Santa Cruz und seinen Kollegen zeigen nun, dass die Verteilung der schweren Elemente erheblich ungleichmäßiger verlaufen ist als bislang angenommen, Die Astronomen haben mit dem Keck I-Teleskop auf dem Mauna Kea, Hawaii, in der Strahlung zweier Quasare die Absorption durch je eine Gaswolke nachgewiesen, die offenbar noch aus reiner, primordialer Materie besteht. Die beiden Wolken enthalten – im Rahmen der Nachweisgenauigkeit – keinerlei schwere Elemente.
Dieser Fund ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen ist es das erste Mal, dass Gas völlig ohne schwere Elemente nachgewiesen werden konnte, zum anderen befinden sich diese Wolken in einer Umgebung, die bereits durch die ersten Sterne mit schweren Elementen angereichert worden sein sollte. „Im Gegensatz zu allen Vorhersagen befinden sich diese beiden Wolken in einer Region mit signifikant erhöhter Dichte, die aber noch völlig unverschmutzt ist“, so Fumagalli und seine Kollegen.
Bei einer Rotverschiebung von 3 sehen wir die Gaswolken aus einer zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall liegenden Epoche – die ersten Sterne sind aber vermutlich bereits eine halbe Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden und sollten daher den Kosmos schon lange mit schweren Elementen „verschmutzt“ haben. „Die Zusammensetzung dieser Wolken impliziert“, so die Forscher, „dass der Transport schwerer Elemente von den Galaxien in ihre Umgebung hochgradig inhomogen verläuft.“
Der Fund eröffnet eine unerwartete Möglichkeit: Sterne der ersten Generation aus primordialer Materie – von den Astronomen Population III genannt – können noch in einer vergleichsweise späten Epoche parallel zu Sternen der zweiten Generation, die bereits mit schweren Elementen angereichert sind, entstehen.
Mit der Entstehung von Sternen der Population III befasst sich auch die Arbeit von Takashi Hosokawa von der Universität Kyoto und seinen Kollegen. Bislang galt es unter Astronomen als ausgemacht, dass die ersten Sterne im Kosmos extrem massereich waren – ihre Masse sollte bis zu mehreren hundert Sonnenmassen betragen. Das Team aus Japan und den USA hat nun numerisch simuliert, wie die Entstehung eines Sterns aus ursprünglicher kosmischer Materie verläuft.
Ausgangspunkt ist eine Wolke aus kühlem Gas mit etwa der tausendfachen Masse der Sonne. Im Zentralbereich der Wolke, der rascher kollabiert als der Rest, bilden sich ein oder mehrere embryonische Protosterne mit zunächst typischerweise einem Hundertstel der Sonnenmasse. Das weitere Anwachsen der Protosterne geschieht dann durch gravitativen Einfall, wobei der Drehimpuls der einfallenden Materie zur Bildung einer rotierenden Akkretionsscheibe führt.
Da bei diesem Vorgang die Strahlung des Sterns ansteigt, bremst der Strahlungsdruck die Akkretion und bringt sie schließlich zum Stillstand - damit ist die Masse des Sterns dann fixiert. Wann dieser Stillstand eintritt - und wie groß entsprechend die Masse der Sterne ist - war für die Entstehung aus primordialer Materie bislang nicht bekannt.
Die Simulationen von Hosokawa und seinen Kollegen zeigen nun, dass bei einer Masse des entstehenden Sterns von 43 Sonnenmassen die ultraviolette Strahlung so stark wird, dass die zirkumstellare Akkretionsscheibe verdampft: Das Gas wird durch die energiereiche Strahlung ionisiert und strömt mit einer Geschwindigkeit von mehreren zehn Kilometern pro Sekunde nach außen.
Die Sterne der Population III „waren nicht extrem massereich“, schließen die Forscher, „sondern ähnelten den Sternen des Spektraltyps O in der Milchstraße.“ Dieses Ergebnis, so Hosokawa und seine Kollegen, sei auch in guter Übereinstimmung mit der chemischen Zusammensetzung alter, metallarmer Sterne in der Galaxis: Die Explosion extrem massereicher Sterne hätte nämlich eine Signatur in dieser Zusammensetzung hinterlassen, nach der die Astronomen bislang vergeblich gesucht hatten.
Rainer Kayser
Weitere Infos
Weitere Literatur
PH