12.02.2016

Nachweis nach 100 Jahren

Die beiden LIGO-Detektoren haben das Gravitationswellensignal von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern nachgewiesen.

„Wir haben Gravitationswellen gemessen. Wir haben es geschafft!“ Mit diesen Worten verkündete David Reitze, Geschäftsführer des LIGO-Labors am Caltech, am 11. Februar 2016 den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen. Genau vor hundert Jahren hatte Albert Einstein in einem Vortrag in der Preußischen Akademie der Wissenschaften über die „Näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation“ die Existenz von Gravitationswellen vorhergesagt. Sie ergeben sich beispielsweise beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher zu einem einzigen massiven Schwarzen Loch. Die dabei frei werdende Energie wird in Form von Gravitationswellen abgestrahlt. Und genau ein solches Signal haben die beiden amerikanischen LIGO-Detektoren in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington) am 14. September 2015 um 5:51 US-Ostküstenzeit registriert.

Da es in den USA zu dem Zeitpunkt mitten in der Nacht war, beobachtete ein Wissenschaftler am Albert-Einstein-Institut in Hannover das Signal zum ersten Mal. Der Postdoc Marco Drago traute angesichts des großen, deutlichen Signals seinen Augen nicht. Da die LIGO-Wissenschaftler zu der Zeit Tests für ihr Upgrade Advanced-LIGO durchführten, dachte er, das Signal stamme daher. Doch als die Kollegen in den USA bestätigten, dass sie nichts dergleichen getestet hätten, zeichnete sich langsam ab, dass es sich um ein echtes Signal handeln könne.

Monatelang haben die Wissenschaftler der gesamten Kollaboration sorgfältig ausgewertet und geprüft, um sicher gehen zu können, dass sie ein echtes Signal gefunden haben – immer unter der Maßgabe, dass keine Informationen zu früh nach außen dringen dürfen. In der viel beachteten Pressekonferenz konnten sie nun bestätigen, dass ihr Messsignal eine statistische Signifikanz von 5,1 Standardabweichungen besitzt. Es stammt von zwei Schwarzen Löchern mit einer Masse von rund 29 bzw. 36 Sonnenmassen, die vor 1,3 Milliarden Jahren zu einem einzigen Schwarzen Loch einer Masse von etwa 62 Sonnenmassen verschmolzen sind. Demnach ist in einem Bruchteil einer Sekunde die Energie von ca. drei Sonnenmassen in Form von Gravitationswellen frei geworden.

Beide LIGO-Detektoren haben das Gravitationswellensignal registriert (oben) - die Signale sehen nahezu identisch aus wie die numerischen Simulationen. (Abb. aus B. P. Abbot et al., PRL 116, 061102, 2016)

„Dieser Nachweis ist der Beginn einer neuen Ära: Das Feld der Gravitationswellenastronomie ist nun Realität“, freute sich Gabriela González, Sprecherin der Scientific LIGO Collaboration. Der Weg dorthin war weit: Bereits in den 1980er-Jahren schlugen Rainer Weiss, emeritierter Physikprofessor vom MIT, Kip Thorne, Professor für theoretische Physik am Caltech, und Ronald Drever, emeritierter Physikprofessor vom Caltech, LIGO als Detektor für Gravitationswellen vor. Heute gehören mehr als tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 15 Ländern zu der Kollaboration, darunter auch viele deutsche Forscher.

Im Rahmen der GEO600-Kollaboration betreiben deutsche und britische Wissenschaftler einen Gravitationswellendetektor südlich von Hannover. Viele technologische Entwicklungen aus Hannover wie die monolithische Spiegelaufhängung oder das Hochleistungslasersystem haben die hohe Empfindlichkeit der LIGO-Detektoren erst ermöglicht, wie Karsten Danzmann, Direktor am MPI für Gravitationsphysik in Hannover verdeutlicht: „Wissenschaftler suchen seit Jahrzehnten nach Gravitationswellen, aber erst jetzt verfügen wir über die unglaublich präzisen Technologien, um diese extrem schwachen Echos aus dem fernen Universum wahrzunehmen.“

Als Albert Einstein Gravitationswellen vorhersagte, war er überzeugt, sie seien zu schwach, um sie je detektieren zu können. Auch glaubte er nicht an Schwarze Löcher, wie Bruce Allen, Direktor am MPI für Gravitationsphysik in Hannover, erklärt. „Aber ich glaube, er hätte nichts dagegen gehabt, sich geirrt zu haben.“

Wenn Advanced-LIGO seine Designempfindlichkeit erreicht hat, dürfte es weitere Erfolgsmeldungen geben, weil damit die Wahrscheinlichkeit steigt, die schwachen Signale von Gravitationswellen zu registrieren. Spannend dürfte aber auch sein, ob die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften diese epochale Entdeckung mit dem Nobelpreis würdigt – denn dieser darf nur an maximal drei Wissenschaftler gehen. Bei einer Kollaboration aus mehr als tausend Wissenschaftlern dürfte die Auswahl also schwer fallen…

Maike Pfalz

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