16.03.2010

Nachwuchs für Europas Raketenpark

Die russischen Raketen "Sojus" und "Vega" starten demnächst aus Französisch-Guayana.

Die russischen Raketen "Sojus" und "Vega" starten demnächst aus Französisch-Guayana.

Es herrscht Aufbruchstimmung in Kourou. Ein hundertprozentiger Klon der Startrampe von Baikonur in Kasachstan wächst in den Tropenhimmel von Französisch-Guayana in Südamerika. Von hier sollen in wenigen Wochen russische Sojus-Raketen in den Weltraum starten. Die Sojus, mit der im Kalten Krieg die Sowjets 1957 den ersten Satelliten «Sputnik» und 1961 den ersten Kosmonauten Juri Gagarin ins All schossen. Der 2007 gelegte Grundstein «Juri Gagarin» der Startrampe stammt aus Baikonur.

Der russische Weltraumveteran ist das jüngste «Stiefkind» des europäischen Raumfahrtunternehmens Arianespace. Die immerhin 46 Meter hohe Sojus ist kleiner als die Ariane-5 - und sie ist robust und verlässlich. Für viele Einsätze ist sie billiger als die Ariane. Das zählt im harten weltweiten Wettbewerb um Satellitentransporte.

Doch selbst die Sojus ist für viele Aufträge noch zu groß. Die Ariane bekommt daher im Herbst noch eine weitere «Stiefschwester»: die 32 Meter «kleine» Vega. Die Feststoffrakete soll Satelliten in niedrige Umlaufbahnen bringen. Sie wird zu 80 Prozent in Italien gebaut. Für die Vega ist kein neuer Startplatz nötig. Sie soll von der umgebauten Rampe abheben, von der Heiligabend 1979 die erste Ariane-1 startete.

«Ende 2010 soll der Jungfernflug der Vega sein», sagt Michel Bartholomey, der Chef von Arianespace in Kourou. «Dann decken wir mit drei Raketen den ganzen Markt ab.» Die 52 Meter hohe Ariane kann zwei Satelliten gleichzeitig in 36 000 Kilometer hohe Bahnen hieven oder schwere Frachten wie den Raumgleiter ATV auf den Weg zur Weltraumstation ISS bringen. Satelliten bis drei Tonnen werden auf die neueste Sojus-Version montiert. Bis zu 1,5 Tonnen kann die Vega in niedrige Bahnen bis 700 Kilometern Höhe bringen.

In diesem Jahr sollen mindestens sechs Ariane-Raketen sowie drei Sojus und die erste Vega in Kourou starten. Künftig sollen jährlich etwa sieben Ariane, drei bis fünf Sojus und zwei Vega von der Dschungelbasis abheben. Das würde den Europäern mehr als die Hälfte des Weltmarktes für Satellitenstarts garantieren.

«Die Teile der ersten zwei Sojus-Raketen sind schon hier», sagt Baustellenleiter Sergej Ermolajew. Das Projekt liegt eineinhalb Jahre hinter dem Plan, weil die Sojus anders als in Baikonur stehend und nicht liegend mit dem Satelliten versehen wird. Man braucht deshalb einen fahrbaren Startturm wie für die Ariane - und der wurde nicht rechtzeitig fertig.

«Insgesamt 14 Sojus-Starts sind schon bestellt», sagt Bartholomey. Alleine vier Starts sind schon für Europas Galileo-Satelliten reserviert. Von den Programmkosten in Kourou von 284 Millionen Euro trägt Frankreich knapp 72 Prozent. Deutschland steuert nur gut 5 Prozent bei. Arianespace finanziert die russische Leistung von 121 Millionen, die EU gibt 3,6 Millionen Euro dazu.

Für den Ariane-Hersteller EADS Astrium ist das Projekt schwer zu schlucken. Schließlich hatte Arianespace bisher exklusiv nur Ariane-Raketen vermarktet. Astrium will nun eine modulare Rakete entwickeln, die den Einsatz der Sojus und der Vega überflüssig macht. Man warte auf das grüne Licht der europäischen Partner, sagt Philippe Hornet, Astrium-Direktor in Kourou. Die Italiener dagegen sehen Wachstumspotenzial für ihre Vega. Ohne große Änderungen könne man auf dem Startplatz zwei Meter höhere und ein Fünftel schwerere Versionen starten, sagen sie.

Für die Russen lohnt sich der Gang nach Kourou. Denn wegen der Äquatornähe kann die gleiche Rakete hier ein Drittel mehr Nutzlast heben als in Baikonur. Alle kommerziellen Sojus-Starts sollen künftig in Französisch-Guayana stattfinden, die Starts im russischen Staats- und Militärauftrag weiter in Baikonur.

Nicht allen in Kourou sind die Russen willkommen. «Die Russen haben nicht die selbe Sicherheitsphilosophie», sagt ein ESA- Techniker. «Sie machen alles wie in Baikonur.» Kabelstränge werden nicht vergraben, sondern verlaufen oberirdisch, damit man besser rankommt. Bei einem Fehlstart kann die Sojus auch nicht wie eine Ariane im Flug gesprengt werden. Die Russen stellen dann einfach den Motor ab und die Rakete stürzt als Ganzes vom Himmel.

Dennoch erklärt Ermolajew, Russen und Europäer hätten die gleiche Sicherheitsphilosophie. Und ein ESA-Funktionär sagt, das eine Vorgehen sei so gut wie das andere. Die Sojus habe bei 1800 Starts schließlich eine hervorragende Sicherheitsstatistik.

Hans-Hermann Nikolei, dpa



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