Nano-Nuggets unter Beschuss
Winzige Goldstrukturen lassen sich durch Beschuss mit hochgeladenen Ionen zielgenau beeinflussen.
Normalerweise muss man sich in der Physik entscheiden: Entweder man befasst sich mit großen Dingen – etwa mit einer Metallplatte und ihren Materialeigenschaften, oder mit winzigen Dingen – etwa mit einzelnen Atomen. Es gibt aber auch eine Welt dazwischen: Die Welt der kleinen, aber noch nicht winzigen Dinge, in der sowohl Effekte der makroskopischen Welt als auch Effekte der mikroskopischen Welt eine Rolle spielen.
In diesem komplizierten Zwischenbereich befinden sich die Experimente, die nun an der TU Wien durchgeführt wurden: Extrem kleine Goldstücke, die aus einigen tausend Atomen bestehen und einen Durchmesser in der Größenordnung von zehn Nanometern haben, wurden mit hochgeladenen Ionen beschossen. Dadurch kann man die Form und die Größe dieser Goldstücke gezielt verändern. Die Ergebnisse zeigen: Was dabei passiert, kann man sich nicht einfach wie den Einschlag eines Golfballs im Sandbunker vorstellen – die Wechselwirkung von Ion und Goldstück ist deutlich subtiler.
„Wir arbeiten mit Xenon-Atomen, denen zunächst bis zu vierzig Elektronen entrissen werden, sie sind also stark elektrisch geladen“, sagt Richard Wilhelm vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Diese hochgeladenen Ionen treffen dann auf kleine Gold-Inseln, die auf einem isolierenden Untergrund platziert sind – und dann können ganz unterschiedliche Dinge geschehen: Die Gold-Inseln können an Höhe verlieren und flacher werden, sie können aufschmelzen, sie können sogar verdampfen. „Je nachdem, wie stark unsere Ionen elektrisch geladen sind, können wir unterschiedliche Effekte auslösen“, sagt Gabriel Szabo, Erstautor der aktuellen Studie, der derzeit im Team von Richard Wilhelm an seiner Dissertation arbeitet.
Die hochgeladenen Ionen treffen mit hoher Geschwindigkeit auf den winzigen Goldnuggets auf – mit rund 500 Kilometern pro Sekunde. Trotzdem ist es bemerkenswerterweise nicht die Wucht des Einschlags, der die Gold-Inseln verändert. „Wenn man ungeladene Xenon-Atome mit derselben kinetischen Energie auf die Gold-Inseln schießt, verändern sie sich praktisch nicht“, sagt Gabriel Szabo. „Entscheidend ist also nicht die Bewegungsenergie, sondern die elektrische Ladung der Ionen. Auch diese Ladung trägt Energie, und die wird genau am Ort des Einschlags deponiert.“
Sobald die extrem stark positiv geladenen Ionen das Nano-Goldstück treffen, reißen sie Elektronen an sich. In einem großen Goldstück hätte das keine nennenswerten Auswirkungen: Gold ist ein ausgezeichneter Leiter, die Elektronen können sich frei bewegen, aus anderen Gegenden des Goldstücks würden weitere Elektronen nachgeliefert. Doch die Nano-Goldstrukturen sind so klein, dass man sie nicht mehr als unerschöpfliches Reservoir für nachrückende Elektronen betrachten kann. Genau hier spielt die Zwischenwelt aus makroskopischem Metall und der nanoskaligen Eigenschaften winziger Atomcluster eine Rolle.
„Die Ladungsenergie des einschlagenden Ions wird auf das Gold übertragen, dadurch gerät die elektronische Struktur des gesamten Nano-Goldobjekts völlig aus dem Gleichgewicht, die Atome beginnen sich zu bewegen und die Kristallstruktur des Goldes wird zerstört“, erklärt Richard Wilhelm. „Je nachdem, wie viel Energie man deponiert, kann es passieren, dass das gesamte Nano-Goldstück aufgeschmolzen wird oder sogar verdampft.“
Die Auswirkungen des Ionenbeschusses kann man dann in einem Rasterkraftmikroskop studieren: Je nach Ladung der Ionen wird die Höhe der Goldstücke in kleinerem oder größerem Ausmaß verringert, berichtet Gabriel Szabo: „Genau wie auch unsere Modelle vorhergesagt hatten, können wir den Einfluss der Ionen auf das Gold kontrollieren – und zwar nicht durch die Geschwindigkeit, die wir unseren Projektilen mitgeben, sondern vielmehr durch ihre Ladung.“
Verbesserte Kontrolle und tieferes Verständnis solcher Prozesse ist für die Herstellung unterschiedlichster Nanostrukturen von Bedeutung. „Es ist eine Technik, mit der man die Geometrie besonders kleiner Strukturen nachträglich gezielt bearbeiten kann – das ist für die Erzeugung mikroelektronischer Bauteile ebenso interessant wie für Quantenpunkte – winzige Strukturen, die aufgrund ihrer quantenphysikalischen Eigenschaften ganz bestimmte maßgeschneiderte elektronische oder optische Effekte erlauben“, sagt Richard Wilhelm. Und es ist ein weiterer Einblick in die facettenreiche Zwischenwelt zwischen Quantenphysik und Festkörperphysik, bei der Quanten- und Vielteilchenphänomene gleichzeitig ins Spiel kommen.
TU Wien / DE