06.08.2018

Nanobeben beeinflussen Neuronen

Akustische Oberflächenwellen nutzbar für Brain-On-A-Chip Systeme.

Der Gruppe um den Bio­physiker Christoph Wester­hausen am Lehrstuhl für Experimental­physik I der Univer­sität Augsburg ist es in Koopera­tion mit Kollegen von der Univer­sity of Cali­fornia in Santa Barbara erstmals gelungen, mit akus­tischen Oberflächen­wellen lebende neuronale Zellen auf einem Bio-Chip gezielt in perio­dischen Abständen zu posi­tionieren und darüber hinaus sogar das Wachstum der neuronalen Zellfort­sätze zu beein­flussen. „Dies ist ein wichtiger Schritt Richtung von Brain-On-A-Chip Systemen und könnte elementar zum Verständnis der Prozesse im mensch­lichen Hirn beitragen“, sagt Achim Wixforth.

Abb.: Neuronale Zellen auf einem Bio-Chip: Das angelegte Schallwellenfeld beeinflusst sowohl die Positionierung der Zellen als auch die Auswüchse der neuronalen Fortsätze, die diese Zellen verknüpfen. (Bild: C. Hohmann, NIM)

Wixforth und die Biophysik-Gruppe haben weltweit einen Ruf als führende Spezia­listen für die Wechselwirkung zwischen Zellen und akus­tischen Oberflächen­wellen auf einem Chip. Das Prinzip dieser Techno­logie: Als Folge eines „Nanobebens“, das durch die Anlegung eines passenden Hochfrequenz­signals an die auf dem Chip ange­brachten Elektroden verursacht wird, breiten sich diese Schallwellen kontrol­lierbar an der Kristall­oberfläche des Chips aus. Nun belegten Wester­hausen und Kollegen, dass sich auf der Grundlage dieser nanotechno­logischen Methode ein neuartiger, dynamisch einstell­barer Ansatz zur kontrol­lierten und gezielten Zellposi­tionierung inklusive an­schließender Anhaftung und Kultur der Zellen auf einem Mikro­fluidik-Chip entwickeln lässt.

Durch akus­tisches Einfangen kleiner Polymer­kügelchen und durch deren Posi­tionierung in variablen Abständen demons­trieren die Nano­physiker die volle Breite der Adjustierungs­möglichkeiten, die dieser neue Ansatz bietet. Die Forscher können weiterhin die Langzei­tbiokompati­bilität von Behand­lungen nachweisen, die auf dem Wachstum diverser auf dem Chip gezielt beein­flusster Zellarten – etwa Knochen­krebszellen, Nieren­zellen oder Neuronen – basieren. „Das i-Tüpfelchen und wohl wichtigste Resultat unserer Arbeit ist die erfolg­reiche Stimulation sehr empfind­licher, primärer neuronaler Zellen und der Auswüchse, die diese Zellen verbinden. Die Ausrichtung dieser Zell-Zell-Verbin­dungen stimmt in über­zeugender Weise mit dem jeweils angelegten Schallwellen­feld und der daraus resul­tierenden Potential­landschaft überein und erlaubt es, hier von der ersten Form eines mittels Schall­wellen auf einem Chip generierten kleinsten neuronalen Netzwerks zu sprechen“, so Wester­hausen.

Die Möglich­keiten, mit statischen Ansätzen – etwa durch entsprechende Struk­turierungen der Chipoberfläche – neuronale Netze herzu­stellen und zu beein­flussen, haben sich als begrenzt erwiesen. „Mit unserer dynamischen Methode“, erläutert Brugger, „können wir diese Limitierung überwinden, um so der biophysika­lischen Grundlagen­forschung – etwa zur Korrelation von Struktur, Signalaus­breitung und Funktion neuronaler Netzwerke – länger­fristig neue und weit­reichende Perspek­tiven bieten.“

Medizin­technische Anwendungen – etwa durch gezielte Zellwachs­tumsbeein­flussungen bei Rückenmarks­verletzungen – seien zwar noch Zukunfts­musik, aber durchaus denkbar. Westerhausen: „Was den Ausbau unserer neuen Methode und vor allem deren poten­tielle Anwen­dungen betrifft, sprudeln wir vor Ideen. Mit dem Nachweis, dass mit unserer Nano­beben-Techno­logie die gezielte und präzise Anordnung empfind­licher Neuronen machbar ist und dass mit ihr auch die Ver­knüpfungen der Neuronen gezielt beeinflusst werden können, haben wir jedenfalls einen wichtigen Grundstein für die weitere aussichts­reiche Grundlagen­forschung und neue Anwendungs­perspektiven auf diesem Gebiet gelegt."

U. Augsburg / JOL

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