11.11.2019 • Materialwissenschaften

Nanokeramik aus der Kugelmühle

Korundpartikel für Autokatalysatoren lassen sich verblüffend einfach erzeugen.

Autokatalysatoren und Materialien für besonders stabile Keramiken könnten künftig robuster werden und sich einfacher herstellen lassen. Denn Forscher des MPI für Kohlen­forschung in Mülheim an der Ruhr haben einen Weg gefunden, Korund, eine besonders stabile Variante von Aluminium­oxid, in Form von Nano­teilchen herzu­stellen – und zwar durch simples Mahlen in einer Kugel­mühle.

Abb.: Aus Böhmit, einem wasserhaltigen Aluminiumoxid, entstehen die...
Abb.: Aus Böhmit, einem wasserhaltigen Aluminiumoxid, entstehen die abgebildeten Korund-Nanopartikel mit einer Oberfläche von 140 Quadratmetern pro Gramm, wenn er etwa drei Stunden lang gemahlen wird. (Bild: A. Amrute, MPI für Kohlenforschung)

In seinen edelsten Varianten formt Korund dank Spuren von Chrom, Eisen oder Titan Rubine und Saphire. Material­wissen­schaftler interes­sieren sich für ihn aber weniger als Schmuck­stein. Da er es in puncto Härte beinahe mit Diamant aufnehmen kann und auch gegen Hitze und Chemikalien ausge­sprochen beständig ist, wird Korund nicht nur für keramische Implantate in der Zahn­heil­kunde, sondern auch für Prothesen oder Schneid­werk­zeuge verwendet.

Noch bruchfester ließe sich die Keramik machen, wenn sie aus Nano­partikeln des Aluminium­oxids produziert würde. Ein solches Herstellungs­verfahren bräuchte zudem weniger Energie. Verein­fachen könnten Nano­partikel aus Korund auch den Bau von Auto­kataly­satoren, deren katalytisch aktive Komponente damit zudem stabiler würde. Bislang setzt die Automobil­industrie dafür in einem aufwändigen Verfahren eine weniger stabile Form von Aluminium­oxid ein.

Auch für die Chemieindustrie ist das besonders harte Aluminium­oxid in Form winziger Teilchen sehr interessant. „Es gibt Berichte, dass Kataly­satoren mit einem Träger­material aus Korund-Nano­partikeln für die Produktion von Ammoniak effizienter arbeiten“, sagt Ferdi Schüth vom MPI für Kohlen­forschung. „Bei anderen katalytischen Prozessen, wie etwa bei der Herstellung von synthetischen Kraft­stoffen, könnte die höhere Stabilität wesentlich sein.“

Ein Pulver der winzigen Korund­partikel erhalten die Forscher, indem sie Brocken von Böhmit, einem wasser­haltigen Aluminium­oxid, das in dem häufig vor­kommenden Erz Bauxit enthalten ist, drei Stunden lang in einer Kugelmühle mahlen und anschließend kurz erhitzen. Bislang ließ sich Korund aus anderen Oxiden von Aluminium nur erzeugen, wenn die Ausgangs­stoffe bei mehr als tausend Grad Celsius gebrannt oder bei Temperaturen von um fünfhundert Grad wochenlang unter hohen Druck gesetzt wurde. Dann bildeten sich zudem keine Nano­kristalle, sondern größere Partikel.

„Dass Nanopartikel aus Korund in einer Kugelmühle entstehen, haben wir zufällig fest­gestellt“, sagt Schüth. Sein Team unter­suchte, ob eine katalytische Reaktion in einer solchen Mühle besser abläuft, weil der Katalysator beim Mahlen immer wieder eine frische Oberfläche erhält, an der die Reaktions­partner zueinander­kommen können. Als Katalysator verwendeten sie dabei ein weiches, mit Gold­partikeln versetztes Aluminium­oxid und verfolgten das Geschehen in der Kugelmühle mit verschiedenen analytischen Methoden. Nach ein paar Stunden hatte sich ein Teil des Aluminium­oxids in Korund umgewandelt. „Das haben wir dann systematisch untersucht und dabei verschiedene Varianten des Aluminium­oxids als Ausgangs­stoffe getestet“, sagt Amol Amrute, einer der feder­führend beteiligten Wissen­schaftler.

Inzwischen können die Forscher auch erklären, warum ein so banaler Vorgang wie das Mahlen eine Route zu einem Mineral eröffnet, das sonst nur unter harschen Bedingungen und schon gar nicht in Nanoform zu bekommen ist. Zum einen beein­trächtigen die Defekte wie Risse, Brüche und Stufen, die beim Mahlen entstehen, die Stabilität von Korund weniger als die von weicheren Aluminium­oxiden. Korund entsteht deshalb bevorzugt. Zum anderen liefern die Stöße, die das Material in der Mühle erfährt, genau die mechanische Energie, die für den ziemlich aufwändigen Umbau der Kristall­struktur zum Korund nötig ist. Die vergleichs­weise niedrigen Temperaturen bei dem Prozess verhindern zudem, dass sich die Nano­teilchen zu größeren Körnern verklumpen.

Nun untersuchen die Forscher, die auf die Entwicklung neuer Katalysatoren spezialisiert sind, wie sich Nanokorund als Katalysatormaterial in verschiedenen Reaktionen macht, zum Beispiel bei der Gewinnung synthetischer Kraftstoffe. „Wir erwarten da nicht unbedingt ein völlig anderes Reaktionsverhalten“, sagt Schüth. Weil Korund aber viel stabiler ist und auch weil er in Form von Nanoteilchen manche Reaktionen vielleicht noch stärker beschleunigt als bislang verwendete Aluminiumoxide, sind auch Industrieunternehmen auf das simple Rezept für die Nanopartikel aufmerksam geworden. Potenzielle Kunden haben bereits Interesse angemeldet, so dass derzeit ein Prozess entwickelt wird, um große Mengen der winzigen Korundpartikel gewissermaßen zu erzeugen.

MPI KoFo / RK

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