Nanomagnetische Logik in 3D
Eine neue Dimension für integrierte Schaltkreise:
Elektroingenieure der Technischen Universität München (TUM) haben einen neuartigen Funktionsbaustein für digitale integrierte Schaltkreise vorgestellt. Ihre Experimente zeigen, dass Computerchips künftig auf dreidimensionalen Anordnungen von Nanomagneten statt auf Transistoren basieren könnten. Nachdem die wichtigste Technologie der Halbleiterindustrie – die CMOS-Herstellung auf Siliziumchips – an grundlegende Grenzen stößt, erkunden die TUM-Forscher, zusammen mit Partnern von der Universität von Notre Dame, “magnetische Computer“ als Alternative. Ihre jüngsten Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift Nanotechnology.
Die Forscher haben in einer 3D-Anordnung von Nanomagneten ein sogenanntes majority logic gate implementiert, das als programmierbares Gatter in digitalen Schaltkreisen eingesetzt werden könnte. Für das zu Grunde liegende Prinzip bieten sie eine anschauliche Erklärung: Man stelle sich das Verhalten zweier Stabmagnete vor. Wenn man diese einander annähert, ziehen sich entgegengesetzte Pole an und gleiche Pole stoßen sich ab. Nimmt man mehrere Stabmagnete, die alle bis auf einen eine feste Position einnehmen, lassen sich als ein einziges koppelndes Feld annehmen, wobei die „Nord-Süd“-Polarität des beweglichen Magneten folglich von der Orientierung der Mehrzahl der fixierten Magnete bestimmt wird.
Aus feldgekoppelten Nanomagneten hergestellte Logik-Gatter funktionieren analog. Die Umkehrung der Polarität entspricht dem Umschalten zwischen Boolschen Logikzuständen, den binären Ziffern 1 und 0. In dem von den Wissenschaftlergruppen vorgestellten 3D majority gate wird der Zustand des Bauelements von drei Eingangsmagneten bestimmt, von denen einer 60 Nanometer unter den beiden anderen positioniert ist. Ausgelesen wird der Zustand über einen einzelnen Ausgangsmagneten.
Ein weiterer Meilenstein in einer Serie von Fortschritten
Diese Ergebnisse wären nicht möglich gewesen ohne Techniken, welche sich die Partner in jahrelanger Forschung erarbeitet haben. Sie reichen von ausgeklügelten Simulationen des Magnetverhaltens bis hin zu innovativen Herstellungs- und Messtechniken. Die jüngsten Ergebnisse sind nicht als Abschluss, sondern als ein weiterer Meilenstein in einer Reihe von Fortschritten zu sehen.
Beispielsweise stellte die Forschergruppe auf dem International Electron Devices Meeting 2013 das weltweit erste „Domänenwandgatter“ vor. Dabei ändern die Wissenschaftler mit Hilfe eines fokussierten Ionenstrahls die magnetischen Eigenschaften von exakt definierten Punkten auf dem Bauelement. Sogenannte Domänenwände, die so erzeugt werden, können unter dem Einfluss von angrenzenden Nanomagneten durch magnetische Leitungen hindurchfließen. TUM-Doktorand Stephan Breitkreutz erklärt, dass dieses 2D-Bauelement „ in magnetischen Schaltkreisen die Signalführung, Pufferung und Synchronisation ermöglicht, ähnlich wie Flipflops in elektrischen Schaltkreisen.“
Beachtung von Seiten der Industrie
Die weltweite Halbleiterindustrie erstellt regelmäßig branchenumfassende, langfristige Strategien oder Roadmaps, in der sie mögliche Wege aufzeigt, um gemeinsame technologische Ziele zu erreichen. In der jüngsten Ausgabe dieser International Technology Roadmap for Semiconductors wird in der bunten Palette neuer Forschungsthemen der nanomagnetischen Logik viel Beachtung geschenkt. Magnetische Schaltkreise sind nicht-flüchtig, das heißt sie bedürfen keiner Energie, um ihren Zustand zu wahren. Ihre wohl erfolgversprechendste Eigenschaft ist ihr extrem niedriger Energieverbrauch. Außerdem arbeiten die Bauelemente bei Raumtemperatur, und sie sind strahlungsresistent.
Besonders attraktiv ist die Möglichkeit, mehrere Gatter auf einen Chip zu packen. Die nanomagnetische Logik erlaubt aus verschiedenen Gründen sehr hohe Packungsdichten. Die einfachsten Bauelemente, also die einzelnen Nanomagnete, haben in etwa die Größe einzelner Transistoren. Aber während Transistoren zusätzlich noch Kontakte und Verdrahtung benötigen, arbeiten Nanomagnete lediglich über Feldkopplung. Vergleicht man CMOS- und nanomagnetische Bauteile derselben Funktion – beispielsweise sogenannte Volladdierer – dann lässt sich die gleiche Funktionalität mit weit weniger Magneten als Transistoren realisieren.
Was die nanomagnetische Logik vor allem konkurrenzfähig macht, ist die Möglichkeit, sich vom Flächendesign zu lösen und auf platzsparende 3D-Anordnungen umzusteigen. Dazu TUM-Doktorandin Irina Eichwald, Hauptautorin des Nanotechnology-Papers: „Das 3D majority gate zeigt, dass magnetische Datenverarbeitung in allen drei Dimensionen genutzt werden kann, um monolithische, fortlaufend gestapelte Magnetschaltungen zu realisieren, die eine bessere Skalierbarkeit und höhere Packungsdichten ermöglichen.“
“Es ist schon eine Herausforderung, mit CMOS-Schaltungen zu konkurrieren,“ fügt Dr. Markus Becherer hinzu, Leiter der TUM-Forschungsgruppe am Lehrstuhl für Technische Elektronik. „Allerdings mag es Anwendungen geben, wo die Eigenschaften von nanomagnetischen 3D-Schaltungen, also der stabile und extrem energiearme Betrieb sowie die hohe Integrationsdichte, von Vorteil sind. “
TUM / PH