29.01.2004

Nanomaschine mit Handkurbel

Forscher haben einen molekularen Motor angekurbelt und mit ihm mechanische Energie in chemische umgewandelt.



Japanische Forscher haben einen molekularen Motor angekurbelt und mit ihm mechanische Energie in chemische umgewandelt.

„Alle Enzyme sind schön, doch die ATP-Synthase ist zudem eine herrliche molekulare Maschine“, hatte der Chemienobelpreisträger Paul Boyer vor einigen Jahren geschrieben. Die ATP-Synthase produziert den für die Zelle lebensnotwendigen Energieträger Adenosintriphosphat – und zwar in großem Umfang. Die Menge des täglich von unserem Körper erzeugten und verbrauchten ATP entspricht etwa der Hälfte(!) unseres Körpergewichts. Jetzt ist es Hiroyasu Itoh und seinen Kollegen gelungen, diese biologische Nanomaschine mechanisch anzutreiben und dadurch ATP in nachweisbaren Mengen zu produzieren.

Die ATP-Synthase gleicht zwei aufeinander gestapelten nanometergroßen Motoren, die einen gemeinsamen Rotor haben (Abb. 1). Der untere Motor, die so genannte F o-ATPase, sitzt normalerweise auf der Membran eines der Mitochondrien, die die Kraftwerke der Zelle sind. Da in den Mitochondrien eine höhere Protonenkonzentration vorliegt als in ihrer Umgebung, kommt es zu einem Protonenfluss, der den unteren Motor in Gang setzt. Der etwa 2 nm dicke stabförmige Rotor dreht sich dann in eine bestimmte Richtung und setzt den oberen Motor, die F 1-ATPase, ebenfalls in Gang. Die Drehenergie des Rotors wird in der Zelle dazu verwendet, um energiereiche ATP-Moleküle herzustellen. Dabei spielt die bemerkenswerte Struktur der F 1-ATPase eine wichtige Rolle.

Abb. 1: Eine herrliche molekulare Maschine: Die ATP-Synthase besteht aus zwei Nanomotoren (F o und F 1), die durch einen Rotor (γ) mit einander verbunden sind. (Quelle: Wolfgang Junge, Universität Osnabrück)

Um den Rotor (γ) ist ein feststehender Kranz aus sechs Untereinheiten des Enzyms angeordnet, je drei α- und β-Einheiten im Wechsel (zwei sind in der Abb. 1 entfernt). Der Kranz hat eine 120-Grad-Drehsymmetrie, wie man sie vom Mercedesstern her kennt. Der Rotor ist hingegen nicht ganz axialsymmetrisch, sodass er die sechs Untereinheiten des Enzyms im Verlaufe einer Umdrehung unterschiedlich stark deformiert. Dabei durchläuft jede der drei β-Einheiten der Reihe nach drei verschiedene Zustände. Im ersten Zustand nimmt die β-Einheit das energiearme Ausgangsmaterial für das ATP aus der umgebenden Lösung auf, im zweiten und dritten Zustand katalysiert sie die Bildung des ATP und gibt es schließlich in die Lösung ab.

In einer ATP-reichen Lösung kann es auch zum umgekehrten Prozess kommen: Die F 1-ATPase baut dann das ATP ab und die dabei freiwerdende Energie lässt den Rotor in die entgegen gesetzte Richtung drehen. Dies konnten die japanischen Forscher schon vor einigen Jahren mit fixierten F 1-ATPase-Molekülen nachweisen. Sie befestigten mikrometerlange Filamente an den Rotoren der Moleküle (Abb. 2), gaben ATP in die Lösung und beobachteten die Drehung der Filamente mit dem Mikroskop. In späteren Experimenten ersetzten die Forscher die Filamente durch 40 nm große Goldkügelchen, die die Drehung der Rotoren weniger stark abbremsten. Es zeigte sich, dass sich die Rotoren bei hoher ATP-Konzentration ca. 100-mal in der Sekunde drehten. Jedes F 1-ATPase-Molekül erzeugte dann 300 ATP-Moleküle pro Sekunde.

Abb. 2: Der Rotordrehung auf der Spur: Der obere Teil (F 1) der ATP-Synthase wird auf den Kopf gestellt und fixiert. Um die Drehung des Rotors zu beobachten, befestigt man an ihm ein fluoreszierendes Aktinfilament (links), ein Farbstoffmolekül (Mitte) oder ein winziges Kügelchen (rechts). (Quelle: Masasuke Yoshida, Tokyo Institute of Technology)

Bei ihrem neuesten Experiment haben die Forscher winzige Magnetkügelchen an den Rotoren der F 1-ATPase-Moleküle befestigt. Die Moleküle fixierten sie wieder auf einer Glasplatte und tauchten sie in eine wässrige Lösung. Anschließend setzen sie die Moleküle einem rotierenden Magnetfeld aus. Die Magnetkügelchen wurden vom Magnetfeld in Bewegung gesetzt und die Rotoren begannen sich zu drehen. Enthielt die Lösung das Ausgangsmaterial für die ATP-Synthese, dann stellten die angekurbelten F 1-ATPase-Moleküle umgehend ATP her – vorausgesetzt ihre Rotoren drehten sich in die richtige Richtung! Wenn sich die Rotoren in die falsche Richtung drehten, zerlegte die F 1-ATPase schon vorhandenes ATP wieder in seine Bestandteile. Der Nachweis der produzierten ATP-Moleküle war äußerst schwierig und erfolgte durch Chemolumineszenz. Dazu gaben die Forscher eine Substanz in die Lösung, die die ATP-Moleküle unter Abgabe eines Photons abbaute. Die verräterischen Photonen wurden dann aufgefangen und gezählt.

Mit ihrem Experiment haben die japanischen Wissenschaftler gezeigt, dass sowohl die Synthese der ATP-Moleküle als auch deren Abbau durch Drehung des Rotors der ATP-Synthase kontrolliert werden. Wie die Effizienz dieser einzigartigen Nanomaschine von der Drehgeschwindigkeit und vom aufgewandten Drehmoment abhängt, wollen die Forscher als Nächstes untersuchen.

Rainer Scharf

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