18.07.2017

Nanonetzwerk als elektronische Haut

Elektrode aus Goldnanodrähten haftet dauerhaft auf der Haut für Langzeitmessungen von Körperfunktionen.

Blutdruck, Temperatur, Muskel- und Hirnaktivität: Viele Parameter lassen sich mit aufgeklebten Sensoren zuverlässig messen. Doch bei Langzeit­messungen schränken die recht großen Sensoren die Bewegungs­freiheit ein, können sich ablösen und damit Messreihen verfälschen. Mit einer gasdurch­lässigen und biokompatiblen elektronischen Haut fanden nun japanische Entwickler eine elegante Alternative. Sie fertigten ein Netzwerk aus feinen Nanodrähten aus Gold, das – vergleichbar mit bei Kindern beliebten Klebe­tattoos – dauerhaft auf der Haut haften blieb, ohne Irritationen oder gar Entzündungen zu verursachen.

Abb.: Ein Netzwerk aus filigranen Nanodrähten aus Gold haftet dauerhaft auf der Haut und eignet sich für Langzeitmessungen von Körperfunktionen.

Takao Someya und seine Kollegen von der University of Tokyo wählten als Basis für ihr haut­verträgliches, elektronisches Pflaster Mikrofasern aus dem wasser­löslichen Kunststoff Polyvinyl­alkohol (PVA). Eine wässrige PVA-Lösung pressten sie durch eine feine Düse und deponierten über ein Elektro­spinning-Verfahren filigrane Fasern auf einer Unterlage, die zu einem grob­maschigen, ungeordneten Netzwerk polymerisierten. Auf diese Matrix dampften die Forscher darauf eine bis zu 100 Nanometer dünne Goldschicht auf.

Diese hauchdünne Kunststoff-Goldschicht legten Someya und Kollegen auf die Haut von einigen Test­personen und wuschen den größten Teil der wasserlöslichen Mikrofasern ab. Zurück blieb ein Netzwerk aus ausgehöhlten Nano­drähten aus Gold, die sich auf einem wenige Nanometer dünnem PVA-Film verteilten. Der Kunststoff­film zeigte dabei wegen des relativ hohen Wasser­anteils ebenfalls eine ausreichend große elektrische Leitfähigkeit. Den Aufbau des Netzwerks untersuchten die Forscher parallel mit hoch­auflösenden Aufnahmen eines Raster­elektronen­mikroskops.

Dieses Netzwerk haftete über Adhäsionskräfte fest auf der Haut und passte sich flexibel an alle Bewegungen an. Selbst nach tausendfachen Dehnungen um bis zu 40 Prozent, die bei einer typischen Finger­beugung auftraten, blieb die elektrische Leit­fähigkeit der Nanodrähte bei etwas vergrößertem elektrischen Widerstand (150 Ohm) erhalten. Die Lücken zwischen den Drähten waren dabei groß genug, um kaum Schweiß­drüsen der Haut zu verschließen. Selbst nach Tragezeiten von einer Woche zeigte die Haut keine Irritationen oder gar Entzündungen. Die Probanden gaben an, die elektronische Haut gar nicht zu spüren.

Abb.: Elektronische Haut aus filigranen Nanodrähten mit einer kontaktierten Leuchtdiode (Bild: T. Someya Group, U. Tokyo)

Dieses filigrane Netzwerk aus Nanodrähten überprüften die Wissenschaftler auf seine Tauglichkeit als Mess­sensor. Dazu kontaktierten sie die Nano­drähte wahlweise mit weiteren funktionellen Schichten zu Messung von Temperatur oder kleinen Druck­änderungen. Die gewonnen Daten ließen sich über ein Funkmodul, integriert in einen kleinen, über einen Finger gestülpten Strumpf beispielsweise an ein Smartphone übermitteln. Die Messung elektrischer Potential­schwankungen, die mit der Muskelkontraktion verbunden sind – ein Elektro­myogramm (EMG) - zeigte sogar eine hohe Qualität vergleichbar mit den Messdaten, die sich mit größeren, konventionell genutzten und auf die Haut aufgeklebten Sensoren sammeln ließen.

„Diese Ergebnisse repräsentieren einen wertvollen Beitrag für eine breitere Anwendung von einer elektronischen Haut“, beurteilt John A. Rogers vom Center for Bio-Integrated Electronics der Northwestern University in Evanston die Bedeutung dieser Entwicklung in einem begleitenden Kommentar. Er kann sich sogar vorstellen, dass sich diese Nano­netzwerke aus Gold in Zukunft auf inneren Organen platzieren lassen, um Körperfunktionen von Patienten dauerhaft zu messen.

Näher liegen allerdings andere Anwendungen für die hautverträglichen und nicht spürbaren Sensorelektroden. So könnte schon bald eine neue Generation tragbarer Elektronik entwickelt werden, um etwa Langzeit­messungen der Herz­funktionen von Infarkt­patienten zu ermöglichen. Auch für Sportler, die ein wachsendes Interesse an der stetigen Vermessung der eigenen Körper­funktionen zeigen, wäre eine neue Klasse von unauffälligen, robusten und dabei kaum spürbaren Fitness­sensoren vorstellbar.

Jan Oliver Löfken

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