09.08.2021 • MedizinphysikMesstechnik

Nanopartikel-Messsystem für die Pharmaforschung

Neues System misst das an jedem einzelnen Nanopartikel gestreute Licht.

Nanoteilchen sind für die Medizin interessant, weil sie Medikamente und Impfstoffe gezielt tief in den Körper trans­portieren können. Für solche Zwecke muss aller­dings die Konzen­tration der winzigen Teilchen möglichst genau bekannt sein. In einer Kooperation zwischen der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt und dem Unter­nehmen LUM in Berlin haben Forscher jetzt ein neuartiges, sehr genaues Analyse­mess­system für diesen Zweck entwickelt. Es misst das Licht, das von jedem einzelnen Nano­partikel in verschiedene Richtungen gestreut wird, und ist genauer als bisherige Messysteme. Das System arbeitet sehr schnell und lässt sich für einen sehr breiten Einsatz­bereich von Nano­teilchen mit etwa vierzig Nano­metern Größe bis hin zu Mikro­partikeln von etwa zehn Mikro­metern verwenden. Erste Geräte wurden bereits einem welt­weiten Pharma­konzern für die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs sowie an eine große deutsche Forschungs­institution über­geben.

Abb.: Im Einzel­partikel­zähler wird die Sus­pen­sion mit einer Kanüle in...
Abb.: Im Einzel­partikel­zähler wird die Sus­pen­sion mit einer Kanüle in den konischen Bereich der Durch­fluss­küvette inji­ziert und an­schlie­ßend durch die Ver­jün­gung und den um­ge­ben­den Hüll­strom be­schleu­nigt. Da­durch werden die Partikel ent­lang der Strö­mungs­rich­tung sepa­riert und pas­sieren über­wie­gend ein­zeln den Laser­fokus. Dabei wird für jedes Parti­kel das Streu­licht in Laser­strahl­rich­tung und senk­recht dazu ge­messen. (Bild: PTB)

Weil Nanopartikel so klein sind, zeigen sie ganz anderen optische, elektrische oder magnetische Eigen­schaften als größere Teilchen desselben Materials. Das wird beispiels­weise für Sonnen­cremes, funktionale Tinten oder Quantendots genutzt. Und auch die Medizin setzt große Hoffnungen auf Nano­teilchen: Sie könnten beispiels­weise als Vehikel dienen, mit deren Hilfe Medikamente biologische Barrieren wie die Luft-Blut- oder die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Man versucht mit ihnen Krebs­medi­ka­mente gezielt in einen Tumor oder einen Impfstoff direkt an den Ort seiner besten Wirksam­keit zu bringen.

Nanopartikel stellen große Anforde­rungen an die Mess­technik, die man für die Produkt­entwicklung, die Kontrolle der Produktions­qualität und nicht zuletzt auch für die Risiko­bewertung der Produkte braucht. Dabei geht es immer häufiger nicht nur um die Größen­messung, sondern auch um die Messung der Teilchen­zahl und -konzentration.

Im Rahmen eines vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie unter­stützten Technologie­transfer­projekts zwischen der PTB und LUM wurde auf Basis eines neuen Ansatzes das Messprinzip eines Einzel­partikel-Streu­licht­photo­meters entwickelt. Es kann die Partikel­größen­verteilung und die Partikel­konzen­tration von Nano- und Mikro­partikeln in Suspen­sionen und Emulsionen mit hoher Auflösung bestimmen. Neben seiner Genauigkeit ist es gekenn­zeichnet durch einen sehr breiten Einsatz­bereich und durch große Schnellig­keit: Pro Sekunde können bis zu 10.000 Teilchen analysiert werden.

Die Basistechnologie nennt sich „Single Particle Light Scattering“-Technologie. Damit ermittelt das Gerät die Intensität des Lichts, das von jedem einzelnen Nano- oder Mikro­partikel in verschiedene Richtungen gestreut wird. Dass die Teilchen einzeln hinter­ein­ander das Messgerät passieren, ist das Ergebnis von hydro­dynamischer Fokus­sie­rung: Ein Hüllstrom bringt die Teilchen in eine Vorzugs­richtung. Anschließend wandern sie einzeln durch das Zentrum der Messzelle. Diese Methode wird bereits seit Jahren sehr erfolgreich für die Durchfluss­zytometrie genutzt, mit der sich beispiels­weise Körper­zellen einzeln und schnell zählen lassen.

Das neue Messystem ist in der Lage, ohne Veränderungen an der Hardware Partikel­suspen­sionen mit unter­schied­lichsten Zusammensetzungen zu analysieren. Es kann auch bei sehr hohen Ausgangs­konzen­tra­tionen kleinste Größen­unter­schiede bis in den Nanometer­bereich hinein ermitteln. Sowohl das Gesamt­system als auch einzelne Teile wie spezifische Verstärker und die spezielle Optik­an­ordnung basieren auf zum Patent angemeldeten Verfahren der Partner. Erste Geräte sind bereits bei einem globalen Pharma­konzern in der EU für die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs sowie bei einem deutschen Forschungs­institut im Einsatz – eine Erfolgs­geschichte für den Transfer von gemein­schaft­lichen vorwett­bewerb­lichen Entwicklungen in aktuelle Anwendungen.

PTB / RK

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