06.04.2023 • PhotonikNanophysik

Nanophotonik: Kleine Drehung, große Wirkung

Gestapelte Schichten aus ultradünnen Halbleitermaterialien erzeugen Phänomene, die sich für neuartige Anwendungen nutzen lassen.

Neuartige, ultradünne Nano­materialien haben bisweilen erstaun­liche Eigenschaften. Stapelt man beispiels­weise einzelne, atomar dünne Lagen aus Kristallen, können faszinierende physikalische Effekte entstehen. So sind unter dem magischen Winkel von 1,1 Grad verdrehte Doppel­lagen aus Graphen supraleitend. In den Fokus der Forschung sind auch zweilagige halb­leitende Heterostrukturen aus Übergangs­metall-Dichalo­kogeniden gerückt, die nur schwach über van-der-Waals-Kräfte zusammen­gehalten werden. Solche neuartigen, in der Natur nicht vorkommenden Hetero­strukturen untersucht die Arbeitsgruppe von Alexander Högele an der Uni München.

Abb.: Die Physiker Anvar Baimuratov (links) und Alexander Högele in ihrem...
Abb.: Die Physiker Anvar Baimuratov (links) und Alexander Högele in ihrem Labor an der LMU München. (Bild: J. Greune, LMU München)

„Die Materialkombination, die Anzahl der Schichten sowie ihre relative Winkel­orientierung bestimmt eine Vielzahl neuartiger Phänomene“, sagt Högele. „Wir können im Labor gezielt physikalische Phänomene mit vielfältigen Anwendungen in der Elektronik, Photonik oder Quanten­technologie maßschneidern, die in natürlich vorkommenden Kristallen unbekannt sind.“ Allerdings sind beobachtete Phänomene nicht immer leicht zu inter­pretieren, wie jetzt eine Studie des Teams zeigt.

Högeles Team untersuchte ein durch van-der-Waals-Kräfte zusammen­gehaltenes, zweilagiges System aus den Halbleitern Molybdän­diselenid und Wolfram­diselenid. Je nach Orientierung der Einzellagen ergeben sich Moiré-Effekte. Diese Effekte entstehen auch in der Nanowelt, wenn sich zwei unter­schied­liche Atomgitter überlagern oder zwei identische Gitter gegeneinander verdreht sind. Nur dass es dann kein optischer Effekt ist. In der quanten­mechanischen Welt atomar dünner Kristall-Hetero­strukturen beeinflusst die Moiré-Interferenz die Eigenschaften des zusammen­gesetzten Systems drastisch, darunter auch die von Elektronen und stark gebundenen Elektronen-Loch-Paaren, also Exzitonen.

„Unsere Arbeit zeigt, dass die naive Vorstellung eines perfekten Moiré-Musters in Doppellagen aus MoSe2-WSe2 insbesondere für kleine Drehwinkel nicht zutrifft und daher auch die Inter­pretation bislang beobachteter Phänomenologie teils revidiert werden muss“, sagt Högele. Anstelle von regel­mäßigen Moiré-Mustern gibt es ausgedehnte Gebiete, die frei von Moiré-Inter­ferenzen sind, und Zonen mit quanten­mechanisch interessanten Effekten, die Anwendungen in der Quanten­kommunikation versprechen: eindimensionale Quanten­drähte oder quasi null-dimensionale Quanten­punkte etwa mit räumlich lokalisierten Exzitonen für Einzel­photonen­quellen. In solchen Probenbereichen kann sich ein ideales Moiré-Muster zu periodischen Mustern aus dreieckigen oder hexagonalen Kacheln verwandeln.

Der Grund scheint in einer von der Orientierung der Lagen abhängigen elastischen Deformation der Gitterstruktur zu liegen. Dabei werden Atome aus ihren Gleich­gewichts­lagen verschoben, auf Kosten erhöhter Spannungen in den Schichten aber zugunsten besserer Haftung. Die Folge ist eine Energie­landschaft in diesen Doppellagen, die sich möglicher­weise auch gezielt nutzen lässt. „Wir beobachten kollektive Phänomene in den künstlich zusammen­gesetzten Kristallen, bei denen periodische Moiré-Muster drastischen Einfluss auf die Bewegung der Elektronen und ihre Wechsel­wirkung unter­einander haben“, sagt Högele.

Von entscheidender Bedeutung ist hier das Verständnis der Exzitonen, die für die jeweils unter­schied­lichen Arten der zweilagigen Kristall­hetero­strukturen charakte­ristisch sind und sich potenziell auch in künftigen opto­ektro­nischen Anwendungen nutzbar machen lassen. Sie werden in den halb­leitenden Übergangs­metall-Dichal­kogeniden durch Licht­absorption erzeugt und können sich wiederum in Licht zurück­verwandeln.

„Exzitonen fungieren also als Mittler der Licht-Materie-Wechselwirkung in Halbleiter­kristallen“, sagt Högele. Wie die aktuelle Arbeit zeigt, entstehen je nach Orientierung der beiden Monolagen, also parallel und antiparallel zueinander, verschiedene Exzitonen. „Wir wollen lernen, wie man van-der-Waals-Hetero­strukturen mit maßge­schneiderten Eigen­schaften gezielt herstellt, um die reich­haltige Phänomenologie nutzbar zu machen und korrelierte Effekte wie Magnetismus hervor­zu­rufen.“

LMU München / RK

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