24.03.2005

Nanotropfen-Oszillator

Ein winziger elektromechanischer Oszillator nutzt die Oberflächenspannung von nanometergroßen Indiumtropfen.




Ein winziger elektromechanischer Oszillator nutzt die Oberflächenspannung von nanometergroßen Indiumtropfen.

Um Bewegung in die Mikro- und Nanowelt zu bringen, benötigt man entsprechend kleine Aktuatoren und Oszillatoren. Oft nimmt man dazu winzige biegsame Balken, deren Krümmung oder Schwingungsfrequenz sich elektrisch verändern lässt. Doch es geht auch anders, wie jetzt Forscher der University of California in Berkeley mit einem neuartigen elektromechanischen Oszillator demonstrieren. Ihr Oszillator besteht aus nanometergroßen Indiumtropfen, die auf einer stromdurchflossenen Kohlenstoffnanoröhre sitzen.

Alex Zettl und seine Mitarbeiter hatten im vergangenen Jahr mit dem Elektronenmikroskop eine interessante Beobachtung an Kohlenstoffnanoröhren gemacht. Die Nanoröhren waren mit nanometergroßen Indiumkristallen „dekoriert“ und an den Enden mit elektrischen Kontakten versehen. Wurde an eine der elektrisch leitenden Nanoröhren eine Spannung von etwa 1 V angelegt, dann erzeugte der daraufhin fließende elektrische Strom genug Wärme, um die Indiumkristalle schmelzen zu lassen. Es entstanden nanometergroße Indiumtropfen, die zumeist an lokalen Defekten der Nanoröhren saßen.

Doch nach wenigen Sekunden veränderten die Tropfen ihre Größe: Einige wuchsen auf Kosten von anderen, die wiederum schnell schrumpften und oftmals ganz verschwanden. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass der Spannungsabfall längs der Nanoröhre wie ein Förderband die Indiumatome in Bewegung gesetzt und von einem Tropfen zum anderen transportiert hatte. Wurde die Polarität der Spannung umgekehrt, transportierte das Förderband die Atome in die entgegengesetzte Richtung. Die zuvor schrumpfenden Tropfen wuchsen jetzt an und umgekehrt.

Bei ihren weiteren Experimenten machten die Forscher eine nicht weniger bemerkenswerte Beobachtung. Manchmal saßen zwei Indiumtropfen - ein großer schrumpfender und ein kleiner wachsender - zufällig nur wenige Nanometer voneinander entfernt auf der Nanoröhre. Da die Atome vom großen Tropfen zum kleinen transportiert wurden, nahm der Radius des kleinen Tropfens schneller zu als der Radius des großen abnahm. So konnte es nach einigen Sekunden geschehen, dass sich die beiden Tropfen berührten.


Unter dem Elektronenmikroskop sieht man, wie ein kleiner Tropfen (II) auf Kosten eines großen (I) wächst, bis sich beide Tropfen berühren und sich augenblicklich die ursprünglichen Größenverhältnisse wieder herstellen.


Und dann ging alles ganz schnell: Der große Indiumtropfen schluckte den kleinen. Da die Oberflächenspannung in dem kleineren Tropfen höher war als im größeren, herrschte in ihm ein höherer Druck. Der Druckunterschied trieb die Atome innerhalb von etwa 200 Picosekunden vom kleineren Tropfen zum größeren zurück. Dabei traten Spitzenleistungen von 20 μW und Kräfte von bis zu 50 nN auf - gigantische Werte auf dieser Größenskala. Während die Oberflächenspannung in der Makrowelt eher eine untergeordnete Rolle spielt, ist sie schon für Insekten wie etwa Wasserläufer wichtiger als die Schwerkraft. Für die Nanotropfen schließlich erweist sich die Oberflächenspannung als die dominierende Kraft.

Nach der schnellen Relaxation der Tropfen auf ihre ursprüngliche Größe konnte das Spiel von neuem beginnen: Das atomare Förderband transportierte Indiumatome vom größeren zum kleineren Tropfen – bis zur nächsten Relaxation. Auf diese Weise begann der Nanooszillator zu schwingen. Wurde eine höhere Spannung an die Nanoröhre angelegt, so lief das atomare Förderband schneller und die Schwingungsfrequenz nahm zu. Während der Schwingungen veränderte sich der elektrische Widerstand der Nanoröhre geringfügig, so sich der aktuelle Zustand des Oszillators auf elektrischem Wege überwachen ließ.

Welche Anwendungen könnte dieser Nanooszillator haben? Da die in ihrer Größe oszillierenden Metalltropfen erhebliche Kräfte ausüben können, lassen sich mit dem Oszillator nanometergroße Objekte in Bewegung versetzen. Zettl und seine Mitarbeiter berichten, dass sie mit den schrumpfenden und wachsenden Tropfen auch schon Kohlenstoffnanoröhren verbogen haben. In der Nanowelt kann die Oberflächenspannung gewissermaßen Berge versetzen. Man muss sie nur zu nutzen wissen.

Rainer Scharf

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