Nanowirbel mit besonderer Eigenschaft
Erstmals antiferromagnetische Skyrmionen erzeugt.
In manchen magnetischen Materialien lassen sich wirbelförmige Nano-Strukturen erzeugen, Skyrmionen genannt. Forscher des Paul-Scherrer-Instituts in der Schweiz haben jetzt erstmals antiferromagnetische Skyrmionen erschaffen und nachgewiesen. Ihre Besonderheit: In ihnen sind entscheidende Bausteine gegenläufig zueinander ausgerichtet. Der Nachweis gelang den Forschern mittels Neutronenstreuung. Die Entdeckung ist ein wichtiger Schritt in Richtung potenzieller Anwendungen, zum Beispiel für effizientere Computer.
Ob ein Material magnetisch ist, liegt an den Spins der Atome. In einem Kristall sind die Spins je nach Material und Zustand entweder kreuz und quer verteilt oder stehen parallel zueinander. Unter bestimmten Umständen ist es möglich, unter den Spins winzige Wirbel zu erzeugen. Solche Skyrmionen könnten als Speicher-Bits genutzt werden. Da Skyrmionen deutlich kleiner sind als die Bits bisheriger Speichermedien, ließen sich Daten enger packen als bisher – und womöglich auch energieeffizienter sowie schneller schreiben und lesen. Sowohl für die klassische Datenverarbeitung als auch für Quantencomputer könnten Skyrmionen deshalb von Nutzen sein.
Für die Anwendung ebenfalls interessant ist, dass sich in manchen Materialien Skyrmionen erzeugen und steuern lassen, indem man Strom anlegt. „Allerdings ist es bei bisherigen Skyrmionen schwierig, sie gezielt von A nach B zu bewegen. Denn ihre eigenen Eigenschaften sorgen dafür, dass sie vom geraden Weg abgelenkt werden“, erklärt Oksana Zaharko vom PSI.
Zaharko und ihr Team haben gemeinsam mit Forschern anderer Institutionen eine neue Art Skyrmionen erschaffen und nachgewiesen, bei denen entscheidende Spins gegenläufig zueinander ausgerichtet sind. „Ein großer Vorteil solcher antiferromagnetischer Skyrmionen ist, dass sie sich viel simpler steuern lassen. Legt man einen Strom an, bewegen sie sich einfach geradlinig“, so Zaharko. Das ist ein großer Vorteil, denn wenn Skyrmionen genutzt werden sollen, wäre es wichtig, sie auch gezielt manipulieren und platzieren zu können.
Ihre neuartigen Skyrmionen gelangen den Forschern, indem sie sie in einem maßgeschneiderten antiferromagnetischen Kristall erzeugten. „Antiferromagnetisch bedeutet, dass benachbarte Spins antiparallel ausgerichtet sind, also einer nach oben und der nächste nach unten zeigt“, erklärt Zaharko. „Was also zunächst eine Eigenschaft des Materials war, sahen wir dann auch innerhalb der einzelnen Skyrmionen.“
Noch fehlen einige Schritte, bis antiferromagnetische Skyrmionen reif sind für eine technologische Anwendung. Die PSI-Forscher mussten ihren Kristall auf rund minus 272 Grad Celsius kühlen sowie ein sehr starkes Magnetfeld von drei Tesla anlegen. Und noch haben die Forscher nicht einzelne antiferromagnetische Skyrmionen erzeugt. Denn um die winzigen Wirbel nachzuweisen, nutzten sie die Neutronenquelle SINQ am PSI. „Hier können wir mittels Neutronenstreuung Skyrmionen sichtbar machen, wenn wir in einem Material sehr viele davon in einer regelmäßigen Anordnung haben“, so Zaharko.
Doch die Wissenschaftlerin ist optimistisch: „Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn wir es schaffen, Skyrmionen in regelmäßiger Anordnung zu erzeugen, kommt bald darauf jemand, dem es gelingt, das Gleiche mit einzelnen Skyrmionen zu machen.“ Und sobald sich einzelne antiferromagnetische Skyrmionen bei Raumtemperatur erzeugen ließen, wäre eine Anwendung in greifbarer Nähe.
PSI / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Gao et al.: Fractional antiferromagnetic skyrmion lattice induced by anisotropic couplings, Nature, online 23. September 2020; DOI: 10.1038/s41586-020-2716-8 - Festkörperstrukturen (O. Zaharko), Forschung mit Neutronen und Myonen, Paul-Scherrer-Institut, Villigen, Schweiz