Natrium-Kalium-Moleküle: eiskalt polarisiert
Stark elektrisch polarisierte Teilchen mit Stimulated Raman Adiabatic Passage in den absoluten Grundzustand gebracht.
Moleküle aus zwei verschiedenen Atomen haben ein permanentes elektrisches Dipolmoment. Wird ein Gas aus solchen Molekülen auf ultratiefe Temperaturen gekühlt, so sollte es aufgrund der weit reichenden Dipolwechselwirkung neuartige kollektive Quantenzustände annehmen. Jetzt haben Forscher am MIT erstmals ein ultrakaltes Gas aus stark dipolaren Natrium-Kalium-Molekülen erzeugt.
Abb.: Der rote Raman-Laser bringt die Feshbach-Moleküle (F) in einen angeregten Zustand (E), bei dem das K-Atom angeregt ist, und dann vom blauen Raman-Laser in den molekularen Grundzustand (G) befördert wird. (J. W. Park et al. / APS)
Martin Zwierlein und seine Kollegen haben zunächst ein stabiles Gemisch aus etwa 100.000 ultrakalten bosonischen Natrium-23- und fermionischen Kalium-40-Atomen hergestellt und in einer optischen Dipolfalle festgehalten. Die Atome waren in speziellen Hyperfeinzuständen, sodass sie zunächst keine chemische Verbindung bilden konnten.
Wurde das Gemisch einem Magnetfeld ausgesetzt, so traten für bestimmte Feldstärken Feshbach-Resonanzen auf. Solch eine Resonanz bei einer Feldstärke von 85,7 G führte dazu, dass sich die Natriumatome mit den Kaliumatomen locker zu etwa 7000 fermionischen „Feshbach-Molekülen“ verbanden. Diese Teilchen wurden bei einer Temperatur von 500 nK in einer optischen Dipolfalle gehalten.
Die Forscher wandelten diese Feshbach-Moleküle in 5000 „echte“ NaK-Moleküle um, die sich im Rotations-Schwingungs-Grundzustand befanden. Dazu entzogen sie ihnen eine überschüssige Energie von 0,65 eV, die der Bindungsenergiedifferenz der Moleküle entsprach. Sie verwendeten dafür das STIRAP-Verfahren – Stimulated Raman Adiabatic Passage: Ein Titan-Saphir-Laser (804,7 nm Wellenlänge) regte die Feshbach-Moleküle in einen Zwischenzustand an und ein Farbstofflaser (566,9 nm) induzierte ihren Übergang vom Zwischenzustand in den molekularen Grundzustand.
Damit das STIRAP-Verfahren möglichst effizient arbeitete, mussten die beiden Raman-Laser einen hohen Grad an Phasenkohärenz aufweisen. Um dies zu erreichen, koppelten die Forscher die beiden Laser über einen optischen Resonator und korrigierten die Frequenz des Farbstofflasers mit Hilfe eines elektro-optischen Modulators. Wie hoch die Effizienz war, zeigten sie dadurch, dass sie die Moleküle aus dem Feshbach-Zustand in den Grundzustand und wieder zurück verwandelten: Sie betrug demnach 75 Prozent.
Mit dem STIRAP-Verfahren hatten andere Forscher schon früher zweiatomige Moleküle in ihrem Grundzustand hergestellt, etwa bosonische 87Rb133Cs-Moleküle oder fermionische 40K87Rb-Moleküle, die jedoch chemisch instabil waren und aus denen bei Kollisionen K2- und Rb2-Moleküle entstanden. Unter den Fermi-Molekülen sind jedoch nur zwei chemisch stabile Alkalimetalldimere, nämlich 23Na40K, 40K133Cs, von denen NaK aber das größere elektrische Dipolmoment aufweist: d = 2,72 Debye.
Abb.: Die Moleküle wurden mit 75 % Effizienz vom Feshbach-Zustand in den Grundzustand gebracht und anschließend wieder in den Ausgangszustand zurückgeführt. Das kleine Bild zeigt die etwa 50 µm große Wolke aus Feshbach-Molekülen am Ende des Experiments. (J. W. Park et al. / APS)
Da die NaK-Moleküle chemisch stabil sind, kann man an ihnen eingehend studieren, wie sich fermionische Moleküle bei Kollisionen verhalten. Dazu haben Zwierlein und seine Kollegen die Lebensdauer der NaK-Moleküle untersucht, die sich – je nach den Polarisationsrichtungen der beiden Raman-Laser – in verschiedenen Hyperfeinniveaus des Grundzustands befanden. Waren die Laser senkrecht bzw. parallel polarisiert, so betrug die Lebensdauer 2,5 bzw. 2,7 s. Was letztlich zum Verlust der Moleküle führt, muss noch genauer untersucht werden.
Wie stark die Moleküle in einem homogenen elektrischen Feld polarisiert waren, wie einheitlich also ihre elektrischen Dipolmomente durch das Feld ausgerichtet wurden, untersuchten die Forscher anhand des Stark-Effekts. Aus der gemessenen Verschiebung der Grundzustandsenergien der Moleküle ergab sich, dass bei einer Feldstärke von 2 kV/cm das mittlere Dipolmoment 0,8 D betrug. Das molekulare Gas war demnach recht stark polarisiert.
Durch die Langlebigkeit der NaK-Moleküle sowie die Abstimmbarkeit und Stärke ihres Dipolmoments sollte es möglich sein, ein ultrakaltes NaK-Gas in Quantenzustände mit neuartigen Ordnungszuständen zu bringen. Dazu gehören topologische Supraflüssigkeiten, die Majorana-Fermionen enthalten, oder dipolare Quantenkristalle, die zugleich fest und supraflüssig sind. Die ultrakalten fermionischen Moleküle werden offenbar ein immer heißeres Forschungsgebiet.
Rainer Scharf
Weitere Infos
Weitere Beiträge
OD