18.11.2005

Natürliche Optik

Ob Facettenaugen oder optische Fasern: Die Natur liefert viele Ideen für die Optik.


Natürliche Optik

Ob Facettenaugen oder optische Fasern: Die Natur liefert viele Ideen für die Optik.

Berkeley (USA) - Hydraulische Linsen, Facettenaugen, optische Fasern. Kein Sinn ist in der Natur so variantenreich ausgebildet wie das Sehen. Doch diese Ideen in Linsen und komplexe Optiken für Teleskope und Kameras umzusetzen gestaltet sich schwierig. Aber mit modernen Werkstoffen und ausgeklügelten Produktionsverfahren gelingt es immer besser, die sehenden Vorbilder von Vögeln, Fischen und Insekten zu kopieren. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“ gibt Luke P. Lee von der University of California in Berkeley einen Überblick über die aktuelle Entwicklung dieses aufstrebenden Bereichs der Bionik.

„Augen von verschiedenen Arten sind optimiert für Tag- und Nachtsicht, für nahe und ferne Objekte und für kleine oder weite Blickwinkel“, sagt Lee, der am Berkeley Sensor and Actuator Center selbst Prototypen nach natürlichen Vorbildern entwickelt. Oft müssen dabei dreidimensionale Strukturen auf wenige Mikrometer genau strukturiert werden. Transparente Kunststoffe mit unterschiedlichen optischen Eigenschaften - wie beispielsweise Polydimethylsiloxan - und lithografische Methoden, die von Chipherstellern bis zur Perfektion getrieben wurden, helfen dabei.

Hat die Natur etwa zehn verschiedene Techniken für das Sehen hervorgebracht, dominieren der Kamera-Typus analog zum menschlichen Auge und das aus vielen optischen Elementen zusammengesetzte Auge wie bei den Facetten der Insekten. Kommen Kameras heute noch mit starren, verschiebbaren Linsen und beweglichen Blenden aus, könnte die Linse der Zukunft wie in der Natur flexibel werden. Geeignet für solche adaptiven Linsen sind biegsame Kunststoffe und spezielle Flüssiglinsen. Erste Modelle entstanden bereits in der Arbeitsgruppe von Lee oder in den Entwicklungslabors von Philips in Eindhoven. Je nach Form der jeweiligen Linse kann der Fokus durch eine unterschiedliche Wölbung der Kunststoffe oder der eingeschlossenen Flüssigkeit reguliert werden. Bei Polymeren werden dazu winzige Aktuatoren an die Linse montiert, Flüssiglinsen reagieren auf elektrische Spannungen, die die Oberflächenspannung des einschließenden Behälters verändern. Wegen des geringen Platzbedarfs solcher Systeme sind Anwendungen in Kamerahandys in wenigen Jahren möglich.

Mit ihren Facettenaugen sehen Insekten zwar nicht so scharf wie die meisten Säugetiere mit ihren „Kamera-Systemen“, doch decken sie große Blickwinkel über 180 Grad ab und erlauben extrem schnelle Reaktionen. Beispielsweise verfügen manche Libellenarten über rund 10 000 einzelne Sehorgane, die nicht erst auf ein Objekt adaptiert werden. Allerdings fällt durch jedes Einzelauge nur sehr wenig Licht ein, sodass die Strahlungssensitvität relativ gering ist. Nach diesem Vorbild entwarfen japanische Forscher von der Universität Osaka in Kenji Yamada ein mikrostrukturiertes Linsensystem, das über farbige Filter auch zum farbigen Sehen taugt. Erste Modelle erreichen Auflösungen von 180 mal 180 Bildpunkte. Im Prinzip ist dieser Sehapparat mit dem Fotochip einer Digitalkamera vergleichbar. Aber mit der geschickten Anordnung einer zusätzlichen Schicht mit Mikrolinsen wird ein zusätzliches Objektiv zur Fokussierung überflüssig.

Lees Arbeitsgruppe hat ebenfalls erste Versuche mit solchen Facetten-Systemen unternommen. Doch im Unterschied zu den japanischen Ansätzen ordneten sie ihre Linsen auf einer Halbkugel an. Herzstück dieser Optik bildete eine Kunststofffolie, die biegsam ist und mit lithografischen Methoden so strukturiert werden kann, dass viele Mikrolinsen entstehen.

Selbst Röntgenteleskope können von den natürlichen Sehapparaten profitieren. So schlug schon vor 25 Jahren J. Roger Angel vom Steward Observatory an der University of Arizona den Nachbau von Hummeraugen für Röntgenteleskope vor. Die speziell gewölbte Struktur der natürlichen Augen sei ideal für die Aufnahme von Röntgenstrahlung über einen weiten Winkelbereich. Das Problem, dass diese hochenergetischen Strahlen nur über sehr kleine Winkel abgelenkt werden können, wird damit umgangen. Aufgegriffen wurde dieses Konzept für einen Röntgenssensor auf der Internationalen Raumstation ISS: Projekt Lobster-ISS.

Noch viele weitere Anwendungen locken für Sensorsysteme, die nach dem Vorbild von Tier- und Insektenaugen entstehen. Doch vor einer Umsetzung müssen die evolutionär entstandenen Sehapparate genau verstanden werden. „Wenn wir die Designs entschlüsseln könnten“, so Lee, „dann ergibt sich aus der Kombination aus der Weisheit der Natur mit unserer Kreativität für die Materialien ein unglaubliches Potenzial.“

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

  • Originalveröffentlichung:
    L. P. Lee und R. Szema, Inspirations from Biological Optics for Advanced Photonic Systems, Science 310, 1148 (2005).  
  • University of California, Berkeley:
    http://www.berkeley.edu

Berkeley Sensor and Actuator Center:
http://www-bsac.eecs.berkeley.edu

Weitere Literatur:

  • J. Kim, K. Jeong, L. P. Lee, Opt. Lett. 30, 5 (2005).  
  • J. Angel, Astrophys. J. 233, 364 (1979).  
  • B. K. Hartline, Science 207, 47 (1980).  
  • M. Denton, Nature’s Destiny, S. 354 (The Free Press, New York, 1998).  
  • J. Tanida et al., Opt. Express 11, 2109 (2003).  
  • J. Duparre et al., Proc. SPIE 5346, 89 (2004).  
  • P. Hung, K. Jeong, G. Liu, L. P. Lee, Appl. Phys. Lett. 6051 (2004).

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