02.03.2007

Negativer Brechungsindex für Elektronenwellen?

Theoretiker haben berechnet, dass Elektronenwellen von einem Graphenkristall in ähnlicher Weise gebrochen werden könnten wie Lichtwellen von einem Material mit negativem Brechungsindex.

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Theoretiker haben berechnet, dass Elektronenwellen von einem Graphenkristall in ähnlicher Weise gebrochen werden könnten wie Lichtwellen von einem Material mit negativem Brechungsindex.

Ein stabiler zweidimensionaler Kohlenstoffkristall, in dem sich die Elektronen gemäß der Dirac-Gleichung bewegen – mit diesen ungewöhnlichen Eigenschaften hat das Graphen in den vergangenen beiden Jahren für Aufsehen gesorgt. Jetzt haben drei Theoretiker aus Großbritannien und den USA berechnet, dass Graphen eine weitere exotische Eigenschaft besitzt: Elektronenwellen könnten von einem Graphenkristall in ähnlicher Weise gebrochen und fokussiert werden wie Lichtwellen von einem Material mit negativem Brechungsindex.

Der russische Physiker Victor Veselago hatte 1968 darüber spekuliert, welche optischen Eigenschaften ein Material hätte, dessen Dielektrizitätskonstante ε und magnetische Permeabilität μ in einem Frequenzbereich des elektromagnetischen Spektrums beide gleichzeitig negativ werden. Er fand heraus, dass ein solches Material mit negativem Brechungsindex n das Licht nicht zum Lot hin bricht sondern stärker ablenkt, über das Lot hinaus, sodass der einfallende und der gebrochene Strahl auf derselben Seite des Lotes liegen. Die Suche nach einem natürlichen oder künstlich hergestellten Material mit negativem n war zunächst erfolglos.

Doch im Jahr 2001 präsentierten Shelby, Smith und Schultz ein Metamaterial aus zentimetergroßen geschlitzten Kupferringen, das ein negatives n für Mikrowellen aufwies und diese Wellen tatsächlich über das Lot hinaus brach. Seither haben die Materialien mit negativem n eine rasante Entwicklung erlebt. Inzwischen gibt es nanostrukturierte Metamaterialien mit negativem n für sichtbares Licht. Dass man aus einem Material mit ε = μ = –1 eine „perfekte Linse“ herstellen kann, darauf hatte John Pendry hingewiesen. Eine quaderförmige Platte eines solchen Materials würde das von einer Punktquelle ausgehende Licht perfekt in einem anderen Punkt bündeln und dabei eine Auflösung erreichen, die wesentlich besser ist als die Wellenlänge des benutzten Lichtes.

Ein Graphenkristall, der geeignet „dotiert“ ist, sollte Elektronenwellen in ähnlicher Weise ablenken wie eine „perfekte Linse“ das Licht. Das behaupten Vadim V. Cheianov von der Lancaster University und seine Kollegen. Graphen besteht aus einem hexagonalen Gitter von Kohlenstoffatomen. Es ist gewissermaßen ein zweidimensionaler Graphitkristall. Die Symmetrie seiner atomaren Struktur gibt dem Graphen ungewöhnliche elektronische Eigenschaften, die zwischen denen eines Metalls und eines Halbleiters liegen. Valenz- und Leitungsband sind nicht durch eine Energielücke getrennt, sondern sie berühren einander in einem Punkt, wie ein Doppelkegel.

Wenn das Graphen undotiert ist, geht die Fermi-Energie genau durch den Berührungspunkt der beiden kegelförmigen Energiebänder. Die elektronischen Zustände des unteren Kegels sind somit alle besetzt, während die des oberen Kegels leer sind. In dieser Bandstruktur verhalten sich die Elektronen wie masselose Dirac-Teilchen, allerdings für eine reduzierte Lichtgeschwindigkeit von c/300. Legt man die Graphenschicht, elektrisch isoliert, auf ein positiv bzw. negativ geladenes Gate, so verschiebt sich der Doppelkegel relativ zur Fermi-Energie nach unten bzw. nach oben. Im ersten Fall schneidet die Fermi-Energie den oberen Kegel und das Graphen ist n-dotiert mit zusätzlichen Leitungselektronen. Im anderen Fall wird der untere Kegel geschnitten und das Graphen ist p-dotiert, da positive Löcher den Ladungstransport übernehmen.

Liegen ein negatives und ein positives Gate nebeneinander, so bilden die entsprechenden p- und n-dotierten Bereiche des Graphens einen p-n-Übergang. Im n-dotierten Bereich ist die Energie der Elektronen proportional zu ihrem Impuls: E = ¿v|k|. Die Gruppengeschwindigkeit der Elektronenwellen und ihr Impuls zeigen in dieselbe Richtung. Hier breiten sich die Elektronenwellen normal aus. Im p-dotierten Bereich gilt hingegen E =– ¿v|k|, sodass die Gruppengeschwindigkeit und der Impuls der Elektronenwellen einander entgegen gerichtet sind. Hier breiten sich die Elektronenwellen so aus wie Lichtwellen in einem Material mit negativem Brechungsindex. Eine Elektronenwelle, die durch eine punktförmige Elektrode in das n-dotierte Graphen gebracht wird, läuft zunächst auseinander, bis sie in das p-dotierte Graphen gerät, wo sie wieder fokussiert wird.

Mit einem entsprechend aufgebauten n-p-n-Übergang lassen sich Elektronenwellen auch in n-dotiertem Graphen fokussieren. Dieses Bauelement entspräche der perfekten optischen Linse aus negativ brechendem Material. Darüber hinaus könnte man beim n-p-n-Übergang durch eine geeignete Form des mittleren Gates die Elektronenwellen in unterschiedliche Richtungen lenken und fokussieren. Auf diese Weise erhielte man einen Strahlteiler, mit dem man z. B. die quantenmechanische Verschränkung von Elektronenwellen untersuchen könnte. Die Möglichkeiten, die elektronische Bauelemente aus Graphen hier eröffnen, sind unabsehbar.

Rainer Scharf

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