Neuartige steuerbare Kraft in Elektrolytlösungen
Dynamisch erzeugte Korrelationen sind skaleninvariant und haben keine Abschirmlänge.
Elektrolyte sind nicht nur in Batterien und Kondensatoren allgegenwärtig, sondern auch in Biofluiden wie Blutplasma. Von großer praktischer Bedeutung ist es daher zu verstehen, wie Elektrolyte genutzt werden können, um lebende Zellen oder andere Objekte, die in sie eingetaucht sind, zu kontrollieren. In einer neuen Studie decken Forscher des MPI für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und der Uni Oxford auf, wie Kräfte in Elektrolytlösungen über große Distanzen hinweg und mit einem beispiellosen Maß an Kontrolle übertragen werden können.
Selbst aus großer Entfernung stoßen sich gleichnamige Ladungen ab, während sich ungleichnamige Ladungen gegenseitig anziehen. Diese Fernwirkung macht die Untersuchung von Elektrolyten, die aus zahlreichen, sich in einem Lösungsmittel bewegenden Ionen bestehen, schwierig, da sie impliziert, dass alle Ionen die Bewegungen der anderen zu jedem Zeitpunkt beeinflussen. Wenn sich jedoch ungleichnamige Ionen aufgrund gegenseitiger Anziehungskraft einander nähern, wird ihre Wirkung auf weiter entfernte Ionen aufgehoben, ein Phänomen, das oft als Abschirmung bezeichnet wird. Das Konzept der Abschirmung bietet einen einfachen Rahmen für die Modellierung von Elektrolyten, nämlich die Molekularfeld-Näherung, die annimmt, dass Ionen, die sich in einem großen Abstand voneinander befinden, keine effektive Kraft aufeinander ausüben können.
Mehrere aktuelle experimentelle Ergebnisse haben allerdings starke Abweichungen von solchen Näherungslösungen gezeigt und verlangen nach neuartigen Theorien. Die neue Studie von Saeed Mahdisoltani und Ramin Golestanian beleuchtet die Frage, wie sich Ionen in Elektrolyten verhalten, wenn sie durch ein angelegtes elektrisches Feld in Bewegung gesetzt werden. Insbesondere stellen die Forscher dabei fest, dass auch weit voneinander entfernte Ionen immer noch miteinander korreliert sind, im deutlichen Widerspruch zum Konzept der Abschirmung. „Diese Erkenntnis hat wichtige Implikationen in Bezug auf die Kräfte, die auf externe Objekte ausgeübt werden, wenn sie von einem Elektrolyten umgeben sind, der einem äußeren elektrischen Feld ausgesetzt ist, wie in dieser Arbeit detailliert beschrieben wird", sagt Golestanian, Direktor der Abteilung Physik lebender Materie am MPIDS.
In ihrer Studie sind die Wissenschaftler über den konventionellen Näherungsansatz hinausgegangen, indem sie die Auswirkungen der Ionenfluktuationen unter dem Einfluss eines äußeren elektrischen Feldes berücksichtigt haben. „Die Ergebnisse der Studie zeigen zum ersten Mal neuartige, dynamisch erzeugte Korrelationen, die skaleninvariant sind und keine Abschirmlänge haben“, sagt Mahdisoltani. „Das ist ein generisches Phänomen, das allein auf die Anisotropie zurückzuführen ist, die durch das elektrische Feld entsteht.“ Das Feld verformt die Wolke aus entgegengesetzten Ladungen um jedes Ion herum und führt zu Korrelationen, die nicht abgeschirmt werden. Es ist daher anzunehmen, dass dieser Mechanismus in einer Vielzahl von Systemen mit einer gleichen Anzahl von beweglichen Ladungen gilt, einschließlich Elektrolyten mit asymmetrischen Ladungen und Ionenflüssigkeiten, und daher kann er die Betrachtung und Modellierung von angeregten geladenen Lösungen stark verändern.
„Eine wichtige Auswirkung der langreichweitigen dynamischen Korrelationen ist, dass externe Objekte, die weit voneinander in den Elektrolyten eingebracht werden, Kräfte aufeinander ausüben, da sie die Fluktuationen der gesamten Lösung und nicht nur ihrer unmittelbaren Umgebung beeinflussen“, erklärt Golestanian. „Dieser Effekt ist ein neuartiges Beispiel für die Entstehung von nicht-trivialen Kräften durch die Fluktuationen in einem Medium, wie sie normalerweise in kritischen Systemen auftreten und bei der Manipulation von Kolloiden von großem Nutzen sind“, spezifiziert Mahdisoltani, „Es ist jedoch erstaunlich, wie weit steuerbar diese neue Kraft ist, d.h. sowohl ihre Stärke als auch ihre Richtung (anziehend oder abstoßend) können durch die Einstellung des angelegten elektrischen Feldes verändert werden.“
Die beiden Forscher erläutern, dass eine derartige Kontrolle über eine generische Kraft bei großen Entfernungen selten ist und daher diesen neuartigen Effekt von vielen anderen Fluktuationskräften unterscheidet. „Die außergewöhnlichen Eigenschaften dieser neuartigen Kraft sind vielversprechend für die Entwicklung neuer Konstruktionsprinzipien in Anwendungen, die von der Manipulation von Zellmembranen bis zum Design von Superkondensatoren, Nanoporen und Ionenkanälen reichen", so Golestanian.
MPIDS / RK
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