Wissenschaftlern der Universitäten Konstanz und Paderborn ist es gelungen, die Wannier-Stark-Lokalisierung zum ersten Mal in einem hochreinen Galliumarsenid-Kristall, der an der ETH Zürich hergestellt wurde, zu realisieren und nachzuweisen. Die Physiker haben damit Hürden überwunden, die auf dem Gebiet der Optoelektronik und Photonik lange als unüberwindbar galten. Die kurzzeitige Wannier-Stark-Lokalisierung geht einher mit drastischen Veränderungen der elektronischen Zustände und führt beispielsweise zu extrem großen optischen Nichtlinearitäten und möglicherweise auch zu veränderten chemischen Eigenschaften.
Abb.: Schema des Versuchs (Bild: C. Schmidt et al., Springer Nature)
„In perfekten Isolatoren und Halbleitern sind die elektronischen Zustände über den gesamten Kristall ausgedehnt. Das sollte sich laut einer schon zirka sechzig Jahre alten Vorhersage ändern, wenn man eine elektrische Spannung anlegt“, erklärt Torsten Meier von der Universität Paderborn. „Wenn das elektrische Feld im Inneren des Kristalls stark genug ist, können die elektronischen Zustände auf wenige Atome lokalisiert werden. Dieser Zustand wird Wannier-Stark-Leiter genannt“, so der Physiker, der an der Universität Paderborn auch Vizepräsident für internationale Beziehungen ist, weiter.
Das wesentliche Problem sei aber, dass auch perfekte Isolatoren und Halbleiter in starken elektrischen Feldern metallisch würden und dann elektrischer Strom fließe, erklärt Alfred Leitenstorfer von der Universität Konstanz und ergänzt: „Bei diesem Effekt werden die Elektronen in energetisch hohe Bänder beschleunigt. Da dieses Phänomen in üblichen Halbleitermaterialien schon bei geringeren Feldstärken auftritt, als zur Realisierung der Wannier-Stark-Lokalisierung notwendig sind, kann dieser Zustand so nicht erreicht werden.“
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die ultraschnelle Optik, bei der die für die Wannier-Stark-Lokalisierung notwendigen Feldstärken nur kurzzeitig in Form von elektromagnetischen Feldern im Kristall präsent sind. Dazu Leitenstorfer: „Verwendet man geeignete intensive Lichtimpulse, die aus nur wenigen Schwingungen mit Periodendauern von einigen zehn Femtosekunden bestehen, kann die Wannier-Stark-Lokalisierung in einem kurzen Zeitfenster realisiert werden.“
Diese Herausforderungen wurden jetzt in Experimenten überwunden, die am Lehrstuhl für Ultrakurzzeitphysik und Photonik von Alfred Leitenstorfer durchgeführt wurden. Die erstmalige experimentelle Realisierung der Wannier-Stark-Lokalisierung in einem Galliumarsenid-Kristall wurde durch hochintensive Terahertz-Strahlung mit Feldstärken von über zehn Millionen Volt pro Zentimeter möglich. Nachgewiesen wurde dieser Zustand dann über die Veränderung der optischen Eigenschaften mittels weiterer ultrakurzer optischer Lichtimpulse. „Die Messergebnisse stimmen mit theoretischen Überlegungen und Simulationen überein, die in den Arbeitsgruppen meines Kollegen Wolf Gero Schmidt und mir durchgeführt wurden“, so Meier. Dieser extreme Materiezustand soll zukünftig insbesondere auf atomarer Skala detaillierter untersucht und dessen besondere Eigenschaften nutzbar gemacht werden.
U. Paderborn / DE