Neuartiges Material für Informations-Technologien
Abrupte Änderung der elektronischen Eigenschaften bei Abkühlung auf zwei Grad Celsius.
Forscher der Uni Bayreuth haben ein ungewöhnliches Material entdeckt: Bei einer Abkühlung auf zwei Grad Celsius ändern sich seine Kristallstruktur und seine elektronischen Eigenschaften abrupt und signifikant. In diesem neuen Zustand lassen sich die Abstände zwischen Eisenatomen mithilfe von Lichtstrahlen gezielt verändern. Daraus ergeben sich hochinteressante Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Informationstechnologien.
Bei dem ungewöhnlichen Material handelt es sich um ein Eisenoxid mit der Zusammensetzung Fe₅O₆. In einem Hochdrucklabor des Bayerischen Geoinstituts, einem Forschungszentrum der Uni Bayreuth, haben es die Forscher bei einem Druck von 15 Gigapascal hergestellt. Sinkt nun die Temperatur auf zwei Grad Celsius, tritt ein plötzlicher Strukturwechsel auf: Eisenionen, die bei höherer Temperatur in langen Ketten aneinandergereiht sind, ordnen sich stattdessen paarweise an. Jeweils zwei Eisenionen bilden eine Bindung zwischen sich aus, die durch ein Elektron vermittelt wird.
In diese neue Kristallstruktur können Lichtstrahlen von außen gezielt eingreifen. Falls sie eine geeignete Wellenlänge haben, sind sie in der Lage, die zwischen zwei Eisenionen bestehende Bindung zu lösen: Das Ionenpaar zerbricht. Infolgedessen geraten die einzelnen Eisenionen in Bewegung, so dass sich ihr Abstand und ihr physikalischer Zustand ändern. „Diese gezielte Beeinflussung von Atomabständen bei einer Temperatur, die sich leicht realisieren lässt, hat ein hochinteressantes Anwendungspotenzial im IT-Bereich. Sie lässt sich beispielsweise in Quantencomputern, für Speicherelemente mit einer Größe von nur wenigen Nanometern oder für ebenso winzige Schalter nutzen“, erklärt Sergey Ovsyannikov vom BGI.
Die Synthese und die Untersuchung des Eisenoxids Fe₅O₆ sind von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, die Zusammenhänge zwischen der Kristallstruktur von Eisenoxiden und ihren physikalischen Eigenschaften aufzuklären. Der Abstand zwischen den Eisenionen, die bei einer normalen Umgebungstemperatur kettenförmig aneinandergereiht sind, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, bei welcher tieferen Temperatur eine plötzliche Strukturänderung auftritt und welche neuen Eigenschaften daraus resultieren.
U. Bayreuth / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. V. Ovsyannikov et al.: A Room‐Temperature Verwey‐type Transition in Iron Oxide, Fe₅O₆, Ang. Ch. 59, 1 (2020); DOI: 10.1002/anie.201914988 - Bayerisches Geoinstitut, Universität Bayreuth