Neue Ansätze für Quantenkommunikation über Glasfaser
Entwickelt am Leibniz-IPHT in Jena und am INRS in Kanada: Ein photonischer Chip nutzt Zeit-Bin-Kodierung, um mehr Informationen pro Photon zu übertragen.
Forschende des Leibniz-IPHT in Jena und internationale Partner zeigen in zwei Studien, wie Quantenkommunikation über Glasfaser alltagstauglich werden kann. Eine photonische Plattform erhöht die Informationsdichte pro Lichtteilchen, eine zweite Methode verbessert die Stabilität über große Distanzen. Beide Ansätze nutzen bestehende Telekommunikationskomponenten und ebnen den Weg für sichere Datenübertragung in realen Netzen.

Ob in der Medizin, in Behörden oder in der Industrie: Überall dort, wo Informationen besonders geschützt werden müssen, könnte Quantenkommunikation künftig einen wichtigen Beitrag leisten. Denn sie überträgt einzelne Photonen, die in speziellen quantenphysikalischen Zuständen verschränkt sind. Deshalb verändert jeder Eingriff in das System – etwa durch Abhören – den Zustand der Photonen und macht den Zugriff messbar.
Damit Quantenkommunikation nicht nur im Labor funktioniert, sondern auch im Alltag einsetzbar ist, müssen noch zentrale technische Hürden überwunden werden. Zwei davon haben Forschende aus Jena und Kanada gemeinsam mit einem internationalen Team untersucht: Wie lässt sich mehr Information pro Lichtteilchen übertragen? Und wie bleibt das Signal auch über große Entfernungen hinweg stabil – trotz der physikalischen Effekte, die bei der Ausbreitung durch Glasfasern auftreten?
Antworten darauf liefern zwei aktuelle Studien, veröffentlicht in Nature Communications und Physical Review Letters. Darin präsentieren Forschende aus Jena und Kanada neuartige Verfahren, die die Informationsdichte pro Photon deutlich steigern und gleichzeitig eine stabile Quantenverbindung über große Distanzen ermöglichen, mit Technologien, die sich in bestehende Glasfasernetze integrieren lassen.
Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Zeit-Bin-Kodierung: Dabei tragen Photonen Information über ihre exakte Ankunftszeit – also darüber, in welchem winzigen Zeitfenster („Time Bin“) sie detektiert werden. Bisher waren meist nur zwei Zeitfenster unterscheidbar. Das Forschungsteam entwickelte nun eine photonische Plattform, die bis zu acht solcher Time Bins pro Photon gleichzeitig nutzen kann und damit die Datenrate deutlich erhöht.

Eine zweite Herausforderung: Mit wachsender Entfernung wird das Signal anfälliger – unter anderem durch Dispersion, einen physikalischen Effekt, der Lichtpulse zeitlich auseinanderzieht. Das erschwert die präzise Unterscheidung der Zeitfenster. Die zweite Studie, veröffentlicht in Physical Review Letters, zeigt, wie sich dieser Effekt kompensieren lässt: Das Team analysierte nicht nur den Abstand zweier Photonen, sondern auch ihre gemeinsame Ankunftszeit. Diese sogenannte Summenkorrelation bleibt auch bei starker Dispersion stabil und konnte nun erstmals gezielt genutzt werden. So ließ sich die Reichweite einer verschlüsselten Quantenverbindung auf bis zu zweihundert Kilometer Glasfaseräquivalent erweitern, mit höherer Signalqualität und Sicherheit.
Die beiden Ansätze greifen ineinander: Während der eine die Informationsmenge erhöht, sorgt der andere für mehr Stabilität. „Wir arbeiten daran, Quantenkommunikation praxistauglich zu machen – mit Systemen, die sich in bestehende Glasfasernetze integrieren lassen“, sagt Mario Chemnitz. Für ihn steht das Zusammenspiel von Grundlagenforschung und technischer Anwendung im Mittelpunkt: „Was wir entwickeln, soll sich irgendwann auch im Alltag bewähren – in der Diagnostik, in der Kommunikation, vielleicht sogar in autonomen Sensoren.“ (L-IPHT)
Weiterführende Informationen
- Originalveröffentlichungen
H. Yu et al.: Quantum key distribution implemented with d-level time-bin entangled photons, Nat. Commun. 16, Article 171. DOI: 10.1038/s41467-024-55345-0
H. Yu et al.: Exploiting nonlocal correlations for dispersion-resilient quantum communications, Phys. Rev. Lett. 133(20), 200601; DOI: 10.1103/PhysRevLett.134.220801 - Nachwuchsgruppe Smart Photonics (Abteilungsleiter M. Chemnitz), Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT), Jena