Neue Karte des virtuellen Kosmos
Hochpräzise Simulation der Grenzbereiche der Dunklen Materie.
Astrophysiker der Universität Zürich haben während drei Jahren einen Code überarbeitet, mit dem sich in einer bisher einmaligen Präzision die Entwicklung der Dunklen Materie und das Auftreten großer Strukturen des Weltalls simulieren lassen. Der bis ins Detail verbesserte Code „PKDGRAV3“ nutzt Speicher wie auch Rechenprozessoren optimal aus und hat auf dem Supercomputer Piz Daint des Nationalen Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz in nur 80 Stunden aus einem virtuellen Universum mit zwei Billionen Teilchen einen Katalog mit 25 Milliarden Galaxien erstellt, wie Joachim Stadel, Douglas Potter und Romain Teyssier berichten.
Abb.: Ein Milliarden Lichtjahre umfassender Ausschnitt des virtuellen Kosmos zeigt, dass sich die Dunkle Materie zusammenklumpt. (Bild: J. Stadel, UZH)
Dank einer hohen Genauigkeit bei ihrer Berechnung der Gravitationskräfte konnten die Forscher die Grenzbereiche der Dunklen Materie, die Halos, im virtuellen Weltall präzise simulieren. Die so entstandene Karte des virtuellen Kosmos umfasst ein Gebiet von etwa der Größe eines Zehntels der Milchstraße. Die hochpräzise Simulation ist damit groß und komplex genug, um die europäische Euclid-Mission zu kalibrieren. Diese hat zum Ziel, die Beschaffenheit des Dunklen Universums zu untersuchen.
Ungefähr 95 Prozent des Universums sind dunkel. Der Dunkle Kosmos besteht zu 23 Prozent aus Dunkler Materie und zu 72 Prozent aus Dunkler Energie. „Woraus diese Energie entspringt und wie sie sich zusammensetzt, sind für die Wissenschaft noch immer ungelöste Rätsel“, sagt Romain Teyssier, UZH-Professor für Computergestützte Astrophysik. Rätsel, die nur durch indirekte Beobachtungen zu knacken sind: Wenn der Euclid-Satellit in Zukunft das Licht von zahllosen Galaxien über große Bereiche des Himmels einfangen wird, müssen die Forscher die sehr subtilen Verzerrungen messen, die sich ergeben, wenn das Licht aus Galaxien im Hintergrund von Fluktuationen der Massendichte im Vordergrund abgelenkt wird. „Das ist vergleichbar mit der Verzerrung des Blicks durch eine nicht ganz ebene Glasscheibe“, sagt Joachim Stadel vom Institut für Computergestützte Wissenschaften der UZH.
Ihr Galaxienkatalog soll helfen, die Beobachtungsstrategie des Euclid-Satelliten zu optimieren und allfällige Fehlerquellen zu quantifizieren, bevor der Satellit ab 2020 sechs Jahre lang im Weltraum auf Datensammlung geht. „Euclid wird eine Art Tomographie des Universums machen und die zehn Milliarden Jahre alte Entwicklung des Weltalls nachzeichnen“, sagt Stadel. Die Forscher erhoffen sich von der Euclid-Mission nicht nur Hinweise auf die Quellen der Dunklen Energie, sondern auch Aufschlüsse, wieso die Dunkle Energie die Ausdehnung des Universums beschleunigt.
UZH / JOL