12.11.2014

Neue Molekülklasse für die Quantentechnologie

Erstmals RbSr mittels supra­kalter Helium­nano­tröpf­chen aus Rubidium- und Stron­tium­atomen her­gestellt.

Quantentechnologien machen sich die quantenmechanischen Eigenschaften von Materie­bausteinen und Licht zu Nutze. Im Vergleich zu Atomen stehen Molekülen sehr viel mehr Möglichkeiten offen, Energie­pakete unterschiedlicher Größe aufzunehmen oder abzugeben. Sie besitzen mehr Freiheitsgrade und können noch dazu elektrische und magnetische Dipol­momente besitzen, die gewisse Manipu­lationen erlauben. Zusätzlich zu den Quanten­eigenschaften der einzelnen Teilchen kommt ein besonderer Aspekt zum Tragen, wenn die Teilchen auf sehr niedrige Tempera­turen gekühlt werden, und aus einer klassischen Wolke von Atomen oder Molekülen ein Quantengas wird.

Abb.: Erzeugung und Nachweis des RbSr-Quantengases (Bild: Krois et al. / RSC)

Quantengase gehorchen dann einer Quantenstatistik, die einem Ensemble aus Millionen von Atomen ein kollektives Verhalten verleiht, so dass sie sich zum Beispiel als kohärente Atomwelle analog zu einem gebündelten Laser­strahl bewegen. Zu diesem Zweck werden die Atome gezielt mittels Lasern auf beinahe null Kelvin gekühlt. „Derart gekühlt haben die Atome gänzlich veränderte Eigenschaften. Ihre thermische Bewegung kommt fast zum Stillstand, sie haben ‚Wellen­charakter‘ und ‚verschmieren‘ zu einem neuartigen Kollektiv. Das hat von Quantensimulationen bis zu hochpräzisen Mess­instrumenten eine Reihe neuer Möglichkeiten mit sich gebracht“, erklärt Wolfgang Ernst vom Institut für Experi­mental­physik der TU Graz. Rasch war klar, dass Experimente an zumindest zweiatomigen Molekülen breitere Perspektiven eröffnen würden als dies mit einzelnen Atomen der Fall ist. Unklar blieb zunächst: Eignen sich Moleküle für diese extreme Kühlung und wenn ja, welche Kühlungs­methode ist am wirksamsten?

Als Erfolgsstrategie hat sich die Herstellung ultrakalter Moleküle aus zuvor bereits separat gekühlten Atomen erwiesen. Inzwischen gelingt es Forscher­gruppen in der ganzen Welt, ultrakalte zweiatomige Moleküle aus verschiedenen Alkali­metall­atomen zu erzeugen. Die ultrakalten Moleküle lassen sich über das elektrische Dipol­moment, das alle aus unterschied­lichen Atomen zusammen­gesetzten, zweiatomigen Moleküle besitzen, gezielt adressieren und können somit eine gewünschte Reihe von Reaktionen auslösen. Noch mehr Steuerungsmöglichkeiten gäbe es allerdings, wenn sich die Moleküle nicht nur via elektrisches Dipolmoment, sondern auch magnetisch „kontrollieren“ ließen. Ein solches Molekül galt es herzustellen und zu untersuchen. „Zweiatomige Moleküle aus einem Alkali­metall­atom und einem Erd­alkali­atom, beispiels­weise die Paarung von Rubidium und Strontium, haben die gewünschten Eigenschaften. Da RbSr bislang experimentell nicht hergestellt werden konnte, war die Forschung ausschließlich auf theoretische Berech­nungen angewiesen“, so Ernst.

Mit seinem Team hat er dennoch einen Weg gefunden und einzelne Rubidium- und Strontiumatome auf kalten supraflüssigen Helium­nano­tröpfchen isoliert. „Ganz auf sich alleine gestellt, finden die Atome in einer solchen Umgebung unweigerlich zueinander“, so der Physiker. Diese neue Molekül­klasse haben die Forschern anschließend mit verschiedenen Laser­unter­suchungen vermessen; parallel dazu führten sie quanten­mechanische Berechnungen durch. Sie konnten dadurch verschiedene elektro­nische Zustände des neuen Moleküls zuordnen und Details über die inner­moleku­laren Wechsel­wirkungen ermitteln. „Beides wird helfen, die Moleküle auch in ultrakalten Atomgemischen in einer magneto-optischen Falle zu erzeugen und damit Quanten­informations­techno­logien noch ein Stück weiter zu bringen“, so Ernst. Für dieses Folge­projekt kooperieren die Grazer mit einer Physiker­gruppe der Universität Amsterdam.

TU Graz / OD

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