Neue Molekülklasse für die Quantentechnologie
Erstmals RbSr mittels suprakalter Heliumnanotröpfchen aus Rubidium- und Strontiumatomen hergestellt.
Quantentechnologien machen sich die quantenmechanischen Eigenschaften von Materiebausteinen und Licht zu Nutze. Im Vergleich zu Atomen stehen Molekülen sehr viel mehr Möglichkeiten offen, Energiepakete unterschiedlicher Größe aufzunehmen oder abzugeben. Sie besitzen mehr Freiheitsgrade und können noch dazu elektrische und magnetische Dipolmomente besitzen, die gewisse Manipulationen erlauben. Zusätzlich zu den Quanteneigenschaften der einzelnen Teilchen kommt ein besonderer Aspekt zum Tragen, wenn die Teilchen auf sehr niedrige Temperaturen gekühlt werden, und aus einer klassischen Wolke von Atomen oder Molekülen ein Quantengas wird.
Abb.: Erzeugung und Nachweis des RbSr-Quantengases (Bild: Krois et al. / RSC)
Quantengase gehorchen dann einer Quantenstatistik, die einem Ensemble aus Millionen von Atomen ein kollektives Verhalten verleiht, so dass sie sich zum Beispiel als kohärente Atomwelle analog zu einem gebündelten Laserstrahl bewegen. Zu diesem Zweck werden die Atome gezielt mittels Lasern auf beinahe null Kelvin gekühlt. „Derart gekühlt haben die Atome gänzlich veränderte Eigenschaften. Ihre thermische Bewegung kommt fast zum Stillstand, sie haben ‚Wellencharakter‘ und ‚verschmieren‘ zu einem neuartigen Kollektiv. Das hat von Quantensimulationen bis zu hochpräzisen Messinstrumenten eine Reihe neuer Möglichkeiten mit sich gebracht“, erklärt Wolfgang Ernst vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz. Rasch war klar, dass Experimente an zumindest zweiatomigen Molekülen breitere Perspektiven eröffnen würden als dies mit einzelnen Atomen der Fall ist. Unklar blieb zunächst: Eignen sich Moleküle für diese extreme Kühlung und wenn ja, welche Kühlungsmethode ist am wirksamsten?
Als Erfolgsstrategie hat sich die Herstellung ultrakalter Moleküle aus zuvor bereits separat gekühlten Atomen erwiesen. Inzwischen gelingt es Forschergruppen in der ganzen Welt, ultrakalte zweiatomige Moleküle aus verschiedenen Alkalimetallatomen zu erzeugen. Die ultrakalten Moleküle lassen sich über das elektrische Dipolmoment, das alle aus unterschiedlichen Atomen zusammengesetzten, zweiatomigen Moleküle besitzen, gezielt adressieren und können somit eine gewünschte Reihe von Reaktionen auslösen. Noch mehr Steuerungsmöglichkeiten gäbe es allerdings, wenn sich die Moleküle nicht nur via elektrisches Dipolmoment, sondern auch magnetisch „kontrollieren“ ließen. Ein solches Molekül galt es herzustellen und zu untersuchen. „Zweiatomige Moleküle aus einem Alkalimetallatom und einem Erdalkaliatom, beispielsweise die Paarung von Rubidium und Strontium, haben die gewünschten Eigenschaften. Da RbSr bislang experimentell nicht hergestellt werden konnte, war die Forschung ausschließlich auf theoretische Berechnungen angewiesen“, so Ernst.
Mit seinem Team hat er dennoch einen Weg gefunden und einzelne Rubidium- und Strontiumatome auf kalten supraflüssigen Heliumnanotröpfchen isoliert. „Ganz auf sich alleine gestellt, finden die Atome in einer solchen Umgebung unweigerlich zueinander“, so der Physiker. Diese neue Molekülklasse haben die Forschern anschließend mit verschiedenen Laseruntersuchungen vermessen; parallel dazu führten sie quantenmechanische Berechnungen durch. Sie konnten dadurch verschiedene elektronische Zustände des neuen Moleküls zuordnen und Details über die innermolekularen Wechselwirkungen ermitteln. „Beides wird helfen, die Moleküle auch in ultrakalten Atomgemischen in einer magneto-optischen Falle zu erzeugen und damit Quanteninformationstechnologien noch ein Stück weiter zu bringen“, so Ernst. Für dieses Folgeprojekt kooperieren die Grazer mit einer Physikergruppe der Universität Amsterdam.
TU Graz / OD