Neue Resultate bei der Erkundung von Neutrinos
Das internationale Großprojekt „EXO-200“ soll einen extrem seltenen Teilchenzerfall beobachten, um herauszufinden, ob Neutrinos sich anders verhalten als andere Elementarteilchen.
Neutrinos spielten eine zentrale Rolle bei der Entstehung unseres Universums. Sie sind bereits seit 13 Milliarden Jahren unterwegs und transportieren bei der Explosion von Sternen 99 Prozent der dabei freiwerdenden Energie ab. Teilchenphysiker wollen die Eigenschaften dieser Elementarteilchen ergründen. Eine dieser Eigenschaften, so wurde bisher vermutet, ist, dass Neutrinos sich anders verhalten als andere Teilchen im Quantenbereich. Könnte ein Experiment dies nachweisen, müsste das Standard-Modell der Physik umgeschrieben werden.
Abb.: Der Kryostat – das Kühlgerät – enthält den Detektor in seinem Inneren und hält diesen trotz Wüstentemperatur auf einer Betriebstemperatur von -105 Grad Celsius. Der Kryostat wurde an der Universität Bern zusammen mit der Fachhochschule Yverdon gebaut. (Bild: EXO Collab.)
Seit Jahrzehnten wird versucht, diesen Nachweis zu erbringen. Nun liegen Ergebnisse vor, die in eine andere Richtung weisen: Dank hochpräziser Messungen in einem bisher unerforschten Parameterbereich konnte eine internationale Forschergruppe mit Beteiligung des Albert Einstein Centers (AEC) und des Laboratoriums für Hochenergiephysik (LHEP) der Universität Bern nachweisen, dass sich Neutrinos gleich verhalten wie andere Elementarteilchen. Zugleich steht nun fest, dass Neutrinos über eine wesentlich geringere Masse verfügen – verglichen etwa zu anderen Teilchen wie Elektronen.
Das „Enriched Xenon Observatory 200“ (EXO-200) ist ein internationales Experiment mit über 80 Forschenden, das mit der bisher höchsten Genauigkeit den „neutrinolosen doppelten Beta-Zerfall“ beobachten sollte. Gemäß Theorie sollten sich bei diesem radioaktiven Prozess je ein Neutrino und ein Antineutrino gegenseitig auslöschen. Hätte dies beobachtet werden können, müssten Neutrinos eine andere Quantenstruktur als andere Elementarteilchen besitzen.
Der Detektor von EXO-200 kann Zerfalls-Ereignisse nachweisen, die ungefähr einmal in 1,6 × 1025 Jahren auftreten – also in einer Zeitspanne, die 1000 Billionen mal dem Alter unseres Universums entspricht.Diesen speziellen Zerfall, den neutrinolosen doppelten Beta-Zerfall, hat der hochempfindliche Detektor aber nicht nachgewiesen. „Damit wird der Parameter-Raum für dieses Ereignis stark eingeschränkt“, sagt Jean-Luc Vuilleumier vom LHEP der Universität Bern.
Insbesondere bedeutet dies, dass die Masse von Neutrinos sehr leicht sein muss, nämlich zwischen 0,14 und 0,38 Elektronenvolt – der Masseneinheit, die in der Teilchenphysik verwendet wird. Im Vergleich dazu wirkt das winzige Elektron geradezu schwer: es weist eine Masse von etwa 500.000 Elektronenvolt auf.
Die Berner Forschenden sind maßgeblich für die hohe Präzision und Qualität der Berechnungen aus dem Detektor verantwortlich, der sich in einem Tiefenlabor in der Wüste von New Mexico (USA) befindet: „Wir haben das Kühlgerät, in dem der Detektor eingelassen ist, zusammen mit der Fachhochschule Yverdon gebaut, die radiochemisch reinen Materialien für den Bau des gesamten Detektors ausgewählt, diesen im Tiefenlabor in der Wüste mitgebaut und nehmen an der gesamten Datenanalyse des Experiments teil“, zählt Vuilleumier auf.
Letzteres bedeutet auch die Überwachung des Betriebs und der Datenaufnahme des Detektors – dank einem Kontrollraum in Bern. „Von hier aus können wir auch die meisten Nachtschichten in New Mexico durchführen“, sagt Vuillemier.
U. Bern / PH