08.02.2018

Neuer Pfad zur dunklen Materie

Neues Modell prognostiziert Annihilationsprozess, bei dem Röntgen­strahlung frei­gesetzt wird.

Die dunkle Materie gibt immer mehr Rätsel auf. Weltweit suchen Physiker seit Jahr­zehnten nach diesen Materie­teilchen, die kein Licht aussenden. Ihr Vorhanden­sein wurde in den 1930er Jahren postu­liert, um astro­nomische Beobach­tungen zu erklären. Während sicht­bare Materie wie die, aus der die Sterne oder auch die Erde bestehen, nur etwa fünf Prozent des Univer­sums ausmachen, müsste der Anteil dunkler Materie den Schätzungen zufolge bei 23 Prozent liegen – aber bis heute gibt es trotz inten­siver Suche keinerlei Anzeichen, um welche Teilchen es sich dabei handeln könnte. Wissen­schaftler der Johannes Guten­berg-Univer­sität Mainz haben nun einen Vorschlag unter­breitet, um die mysteriösen Partikel an einer ganz anderen Stelle zu suchen als bisher. Geeignete Kandi­daten wären demnach keine sehr schweren Teilchen, wie bislang oft vermutet, sondern im Gegen­teil extrem leichte Teilchen – fast hundert Mal leichter als ein Elektron.

Abb.: Röntgenaufnahme des etwa 240 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxienhaufens Perseus. Die von Galaxien und Galaxienhaufen ausgesendete Röntgenstrahlung könnte Hinweise auf die Dunkle Materie liefern. (Bild: Nasa)

Die Existenz dunkler Materie wird vorwie­gend damit begründet, dass die Rotation von Sternen um das Zentrum ihrer Galaxie ansonsten nicht wie beo­bachtet erfolgen könnte. Einer der beson­ders favo­risierten Kandi­daten für dunkle Materie ist das WIMP oder „Weakly Interacting Massive Particle“, nach dem zum Beispiel im italie­nischen Untergrund­labor Gran Sasso gesucht wird. Aber neuere Ergebnisse der Astro­teilchen­physik stellen die WIMPs zunehmend in Frage. „Auch wir sehen uns momentan verstärkt nach Alter­nativen um“, erklärt Joachim Kopp.

Der Physiker ist mit seinen Kol­legen Vedran Brdar, Jia Liu und Xiao-Ping Wang einer Beo­bachtung nachge­gangen, die 2014 von unab­hängigen Gruppen berichtet wurde: Am Himmel zeigte sich an verschie­denen Stellen eine bisher unbe­kannte Spektral­linie im Röntgen­bereich bei einer Energie von 3,5 Kilo­elektronen­volt (keV). Diese unge­wöhnliche Röntgen­strahlung von Galaxien und Galaxien­haufen könnte ein Hinweis auf dunkle Materie sein. Dieser Zusammen­hang ist an sich nicht neu, denn es wurde früher schon in Erwägung gezogen, dass dunkle Materie zerfällt und dabei Röntgen­strahlung aussendet. Die Gruppe um Joachim Kopp am Mainzer Exzellenz­cluster „Precision Physics, Funda­mental Inter­actions and Structure of Matter“ (PRISMA) verfolgt jedoch einen anderen Ansatz.

Anstelle von Zerfall haben die Wissen­schaftler ein Szenario durchge­rechnet, bei dem zwei Dunkle-Materie-Teilchen aufeinander­treffen und mit­einander zerstrahlen. Diese Annihi­lation findet auch beim Zusammen­treffen eines Elektrons mit einem Positron statt. „Früher ist man davon ausge­gangen, dass Paarver­nichtung bei derart leichter dunkler Materie nicht beo­bachtbar ist“, erklärt Kopp. „Wir haben unser neues Modell berechnet und mit experi­mentellen Daten verglichen, es passt alles viel besser zusammen als in älteren Modellen.“

Dunkle-Materie-Teilchen wären demnach Fer­mionen mit einer Masse von nur wenigen Kilo­elektronen­volt, häufig auch als „sterile Neutrinos“ bezeichnet. Ein solches leichtes Teilchen gilt eigentlich als proble­matisch, weil es die Entstehung von Galaxien nicht hin­reichend erklärt. „Diese Bedenken können wir ausräumen“, so Kopp. „Unser Modell hat einen eleganten Ausweg gefunden.“ Ent­scheidend ist zudem die Annahme, dass die Anni­hilation der dunklen Materie ein zwei­stufiger Prozess ist: Es wird zunächst ein Zwischen­zustand gebildet, der dann seiner­seits in die beobach­tete Röntgen­strahlung zerstrahlt. „Wir zeigen in unseren Berech­nungen, dass sich die resul­tierende Röntgen­signatur sehr gut mit den Beobach­tungen deckt und damit eine neuar­tige Erklärung dafür bietet“, so Kopp.

Darüber hinaus ist das neue Modell so allgemein, dass es auch dann einen interes­santen Ansatz für die Suche nach dunkler Materie liefern würde, falls die 2014 entdeckte Spektral­linie andere Ursachen hat. Theore­tische und experi­mentelle Physiker der JGU arbeiten aktuell an dem vorge­schlagenen ESA-Projekt e-ASTROGAM mit, das astro­physikalische Röntgen­strahlung mit bisher uner­reichter Genauig­keit unter­suchen könnte.

JGU Mainz / JOL

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