29.06.2017

Neuer Transistor soll Mooresches Gesetz retten

Transistor auf Basis halbleitender Kohlenstoffnanoröhrchen ist nur halb so groß wie aktuelle Siliziumtransistoren.

Die Halbleiterindustrie hat ein Problem: Die seit über fünf Jahrzehnten anhaltende Erfolgsstory der ständigen Miniaturisierung integrierter Schaltkreise, beschrieben durch das Mooresche Gesetz, droht ein Ende zu finden. Zumindest was das Grund­material Silizium angeht, scheint die Verkleinerung von Transistoren an beinharte, physikalische Grenzen zu stoßen. Eine mögliche Alternative sind Transistoren auf Basis von halb­leitenden Kohlen­stoff­nano­röhrchen. Forscher von IBM haben nun einen Transistor vorgestellt, der nur halb so groß ist wie aktuelle Silizium­transistoren und unter gleichen Bedingungen dennoch höhere Ströme liefert.

Abb.: Schematischer Aufbau eines Transistors mit einem einzelnen Kohlenstoffnanoröhrchen (rot) als Kanal (links). Aufbau eines Transistors mit mehreren, parallelen Röhrchen (rechts; Bild: Q. Cao et al.)

Die International Technology Roadmap for Semiconductors, eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Halbleiter­technik, die als roter Faden für Chip- und Geräte­hersteller gilt, steckt trotz der absehbaren Probleme mit Silizium ehrgeizige Ziele: Innerhalb des nächsten Jahrzehnts soll sich die Größe von Transistoren einschließlich sämtlicher Komponenten von derzeit knapp 100 auf 40 Nanometer reduzieren. Im Thomas J. Watson Research Center von IBM in New York hat man diese Marke allerdings jetzt schon erreicht. Wie die Forscher berichten, waren spezielle Methoden zur Kontaktierung, die Erzeugung hochreiner Kohlenstoffröhrchen und deren selbst organisierte Anordnung die wichtigsten Voraus­setzungen für diesen Erfolg.

Zwar wurden in den letzten Jahren bereits verschiedene Transistoren aus Kohlenstoff­nanoröhrchen vorgestellt, deren charakteristische Maße (etwa die Gatelänge) die von aktuellen Silizium­transistoren untertrafen, sie alle wiesen jedoch Gesamtgrößen auf, die deutlich über denen ihrer Pendants aus Silizium lagen. Das Haupt­problem dabei war die Kontaktierung der Röhrchen: Um den elektrischen Widerstand weit genug zu reduzieren, waren Kontakte für Source und Drain von jeweils 100 bis 200 Nanometern Länge nötig. Indem sie eine Legierung aus Kobalt und Molybdän für die Kontakte verwendeten, konnten die Forscher die Verarbeitungs­temperatur bei der Kontaktierung um 200 Grad senken. Dadurch gelang es einerseits, bei ausreichender Leit­fähigkeit die Kontakt­längen auf zehn Nanometer zu reduzieren und andererseits die Struktur des zwanzig Nanometern breiten Spaltes zwischen Source und Drain zu erhalten.

Herzstück des neuen Transistors ist ein einwandiges Kohlenstoff­röhrchen mit einem Durchmesser von etwa einem Nanometer, das aufgrund seiner speziellen Struktur Halbleiter­eigenschaften aufweist und den Kanal des Transistors bildet. Nach dem Abscheiden des Röhrchens auf einem Silizium­substrat erfolgt die Begrenzung der Länge des gesamten Bauteils auf vierzig Nanometer durch normal zum Röhrchen verlaufende Silizium­oxids. Zwischen diesen Erhöhungen werden dann die Source- und Drain-Kontakte auf das Röhrchen aufgebracht und das Ganze mit einer dünnen Schicht Aluminium­oxid überzogen, sodass ein Gate von etwa zehn Nanometern Länge entsteht. Schließlich füllt eine metallische Gate­elektrode den Spalt und fertig ist der Transistor.

Dieser Aufbau diente den Forschern in erster Linie zur Evaluierung der Leistungs­fähigkeit einzelner Röhrchen. Für praxis­relevante, technische Anwendungen sind jedoch Kanäle aus mehreren, parallel angeordneten Röhrchen nötig. Nur so können die erforderlichen Ströme erreicht werden. Um einen solchen Aufbau zu realisieren, bedeckten die Forscher ein Substrat, auf dem bereits eine großflächige Gate­elektrode aufgebracht war, vollständig mit den Röhrchen, die sich parallel ausrichteten und die gesamte Oberfläche bedeckten. Anschließend ätzen sie alles bis auf den späteren Kanal­bereich wieder weg und begrenzten und kontaktierten die Nanoröhrchen wie zuvor – mit dem Unterschied, dass das Gate nun unterhalb des Kanals lag. Auch dieser Transistor war auf eine Gesamt­länge von vierzig Nanometern begrenzt, lieferte allerdings Ströme, die höher waren als die aktueller Silizium­bauteile.
Zwar handelt es sich lediglich um die Demonstration eines einzelnen Transistors und es bleibt offen, ob die Integration von Milliarden solcher Bauteile technisch machbar beziehungsweise wirtschaftlich rentabel sein wird – eine Forschergruppe der Universität Stanford hat allerdings schon vor einigen Jahren gezeigt, dass Computer auf Basis von Kohlenstoff­nanoröhrchen funktionieren können. Ihnen ist es gelungen, 178 Transistoren zu einem Schaltkreis zu kombinieren und darauf ein funktions­fähiges Betriebs­system laufen zu lassen.

Letztes Jahr wiederum ließ eine weitere amerikanische Forschergruppe mit einer etwas anderen Version eines Kohlenstoff­nanoröhrchen-Transistors aufhorchen. Als Kanal diente dabei ein zweidimensionales Halbleiter­material, während das Röhrchen quer dazu als Gateelektrode eingesetzt wurde – und den Forschern mit einem Durchmesser von einem Nanometer den Rekord für das kürzeste Gate der Welt einbrachte.

Thomas Brandstetter

DE

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